Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dritte Berg

Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg
Autoren: J.F. Dam
Vom Netzwerk:
Netzes, und ich stoße auf einen Eintrag von Maettgen als Mitglied des Sportschützenvereins von Schluchsee, mit ungenauer Adresse, die nur auf D -79859 Schluchsee lautet. Ich kenne Schluchsee. Ein kleiner Ferienort im Hochschwarzwald, der an dem gleichnamigen Stausee liegt, auf fast tausend Metern Seehöhe. Möglicherweise besitzt Maettgen zwei Wohnsitze.
    Noch im Auto rufe ich in Heidelberg-Kirchheim an. Niemand meldet sich. Es gibt bloß einen Anrufbeantworter, der jemandem wie mir mitteilt, Professor Horst Maettgen befinde sich auf Reisen. Dann ein Anruf im Max-Planck-Institut. Doch als eine interessante weibliche Stimme sich meldet, lege ich kurzentschlossen auf, starte den Motor und fahre in Richtung Autobahn.
    Es ist immer besser, persönlich vorzusprechen, und zwar ohne die Leute vorzuwarnen.

DIE DAME AM MAX-PLANCK-INSTITUT hat sich morgens in ein dunkelgrünes Kleid gezwängt. Sie betrachtet mich aufmerksam und streicht ihr Haar zurück. Die große Nase und der üppige Mund kommen jetzt zur Geltung. Die Dame denkt nicht an meinen Anruf, aber sie denkt eine Menge anderer Sachen.
    »Ich bin auf der Suche nach Professor Maettgen«, erkläre ich, ohne meinen Namen zu nennen.
    »Suche? Der Professor befindet sich nicht hier am Institut, er ist verreist«, sagt die schwarzhaarige Erscheinung mit den Rehaugen. Von einem Schild auf dem Schreibtisch erfahre ich ihren Namen: Ángela Ruiz-Martín.
    »Besteht Hoffnung, dass er sich demnächst wieder blicken lässt?«
    Schweigen. Einen Augenblick lang erwägt Rehauge sämtliche Möglichkeiten, dieses Gespräch ohne Umstände zu beenden. Dabei lächelt sie.
    »Wie, glauben Sie, könnte ich mit ihm selbst im verreisten Zustand Kontakt aufnehmen? Rauchzeichen? Buschtrommel? E-Mail?«
    »Sie sind ein unterhaltsamer Mensch.« Jetzt fummelt Rehauge wieder an ihrem Haar herum und fängt an, mich zu mögen. Ihr Lächeln bekommt etwas Unzüchtiges; die Brüste schieben sich einen Zoll nach vorne.
    Ich gebe mich unbeeindruckt. »Und ich bin sicher«, sage ich, »Sie können mir freundlicherweise die genaue Adresse von Professor Maettgens Haus am Schluchsee nennen.«
    Darauf ist Rehauge nicht gefasst. Ihre schönen Lippen teilen sich, fast unmerklich erbeben sie dabei. Dann marschieren ein paar abscheulich schlecht gelogene Worte auf mich zu. »Haus am Schluchsee?«, lauten sie. »Wo ist denn das nun wieder? Der Professor wohnt in Kirchheim – wie Sie ja bestimmt schon wissen, Herr …«
    »Walters«, sage ich.
    »Herr Walters«, wiederholt sie nachdenklich, als passe dieser Name nicht zu mir.
    »Könnten Sie mir eine vollständige Publikationsliste von Professor Maettgen ausdrucken«, sage ich, so süß ich kann, »im Internet habe ich keine auftreiben können. Ich interessiere mich als Geophysiker« – die Geophysik ist die biedere Zwillingsschwester der Meteorologie, und ich gebe mir Mühe, es wie Biophysiker klingen zu lassen – »in meinen Forschungsprojekten besonders für Asien, und für die Biodiversität in den betroffenen Ländern.«
    Rehauge kühlt schneller ab als der Golfstrom, wenn er auf die arktischen Gewässer trifft. Die Worte Biodiversität und Asien haben angeschlagen. Sie sind von Funden inspiriert, die ich im Netz unter dem Begriff Maettgen gemacht habe. Und es gibt eine Liste, tatsächlich, auf der Website des Instituts.
    Rehauge hat jetzt genug und steht auf. Sie wendet sich einem Schrank mit Unterlagen zu, was sie aber nicht schafft, ohne mit einigen Körperteilen für die bloße Fortbewegung entbehrliche Bewegungen zu vollführen. Vielleicht nur, um ganz deutlich zu machen, was ich da eben verspielt habe.
    Ich räume das Schlachtfeld, drehe auf dem Absatz um und gehe mit einem kaum hörbaren Gruß durch die Tür. Rehauges Lüge macht wohl eine Fahrt in den Schwarzwald notwendig. Und ich hätte gerne gewusst, wie die Dame zu ihrem Professor steht. Auf einem Foto, am Vortag gefunden, erscheint Maettgen als ein etwas skurriler Mann von sechzig Jahren mit dicker, leicht geröteter Nase, geschwollenen Tränensäcken und breit aufgeblasenem Gesicht. Dazu fette Lippen und ein Haarkranz um das fast kahle Haupt. Nicht notwendig Rehauges sexueller Traumpartner.

    Nördlich von Heidelberg, in einem kleinen Stadthotel in Neckargemünd, nehme ich mir ein Zimmer. Dort begebe ich mich auf die Suche nach einer Telefonnummer Maettgens in Schluchsee. Ich statte der Website des Schützenvereins einen Besuch ab und nach wenigen Minuten habe ich mit einer Festnetznummer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher