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Der Doppelgänger

Der Doppelgänger

Titel: Der Doppelgänger
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij , Fedor Michajlovic Dostoevskij
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noch einen bewundernden Blick auf Petruschka, der sich die Stiefel angezogen hatte und somit ebenfalls völlig bereit war, und lief, nachdem er sich überzeugt hatte, daß alles ausgeführt und zu weiterem Warten kein Grund sei, eilig und geschäftig mit etwas Herzklopfen seine Treppe hinunter. Eine himmelblaue Mietskutsche mit einer Art von Wappen fuhr mit starkem Gepolter an der Haustür vor. Petruschka wechselte mit dem Kutscher und einigen Gaffern verständnisvolle Blicke, half seinem Herrn beim Einsteigen in den Wagen, rief mit gekünstelter Stimme, nur mit Mühe ein albernesLachen unterdrückend, dem Kutscher »Vorwärts!« zu, sprang auf das hinten befindliche Wagenbrett, und lärmend und polternd, klirrend und rasselnd rollte die blaue Kutsche in der Richtung nach dem Newski-Prospekte davon. Kaum hatte sie den Torweg passiert, als Herr Goljadkin sich kräftig die Hände rieb und in ein leises, unhörbares Gelächter ausbrach, wie ein zur Heiterkeit veranlagter Mensch, dem es gelungen ist, einen prächtigen Streich auszuführen, über den er nun das allergrößte Vergnügen empfindet. Übrigens machte sogleich nach dem Heiterkeitsausbruche das Gelächter einem eigentümlich sorgenvollen Ausdruck auf Herrn Goljadkins Gesichte Platz. Obwohl das Wetter feucht und unfreundlich war, hatte er doch beide Wagenfenster herabgelassen, blickte eifrig rechts und links nach den Passanten und nahm sofort eine vornehme, würdevolle Miene an, sowie er bemerkte, daß ihn jemand ansah. An der Einmündung der Liteinaja-Straße in den Newski-Prospekt fuhr er infolge einer sehr unangenehmen Empfindung zusammen, runzelte die Stirn wie ein armer Teufel, dem jemand zufällig auf die Hühneraugen getreten hat, und drückte sich eilig, ja sogar ängstlich in die dunkelste Ecke seiner Kutsche. Der Grund war, daß er zweien seiner Kollegen begegnete, zwei jungen Beamten derselben Behörde, bei der er selbst angestellt war. Die Beamten waren, wie es Herrn Goljadkin schien, ihrerseits ebenfalls äußerst erstaunt, ihrem Kollegen in dieser Weise zu begegnen; einer von ihnen zeigte sogar mit dem Finger nach Herrn Goljadkin. Diesem schien es sogar, daß der andere ihn laut bei seinem Namen rief, was selbstverständlich auf derStraße sehr unpassend war. Unser Held versteckte sich und gab keine Antwort. »Was sind das für dumme Jungen!« räsonierte er für sich. »Na, was ist denn dabei Sonderbares? Es fährt jemand in einer Kutsche; es wird wohl eine Nötigung dazu vorliegen, nun, da hat er sich eben eine Kutsche genommen. Sie sind einfach Plebs! Ich kenne sie hinlänglich; dumme Jungen sind es, die noch ihre Prügel bekommen müßten! Sie können weiter nichts als mit ihrem Gehalte Adler oder Schrift spielen und sich Gott weiß wo herumtreiben; das ist ihr Element. Ich müßte mal ein ernstes Wort mit ihnen allen reden; nur...« Herr Goljadkin beendete den angefangenen Satz nicht und wurde starr. Ein Paar mutiger Kasanscher Pferde, die an eine elegante Equipage gespannt und Herrn Goljadkin sehr wohlbekannt waren, überholte schnell auf der rechten Seite seine Mietskutsche. Der Herr, der in der Equipage saß, erblickte zufällig Herrn Goljadkins Gesicht, welcher ziemlich unvorsichtig seinen Kopf aus dem Wagenfenster heraussteckte; auch er war anscheinend über eine so unerwartete Begegnung äußerst erstaunt, bog sich heraus, soweit er nur konnte, und blickte höchst neugierig und interessiert in die Wagenecke, in der unser Held sich schleunigst versteckt hatte. Der Herr in der Equipage war Andrei Filippowitsch, Abteilungschef bei derselben Behörde, zu welcher auch Herr Goljadkin in der Stellung eines Gehilfen seines Tischvorstehers gehörte. Als Herr Goljadkin sah, daß Andrei Filippowitsch ihn genau erkannt hatte, ihn mit großen Augen ansah und es unmöglich war, sich zu verstecken, wurde er rot bis über dieOhren. »Soll ich mich verbeugen oder nicht? Etwas sagen oder nicht? Gestehen oder nicht?« dachte unser Held in unbeschreiblicher Verlegenheit; »oder soll ich tun, als ob ich es nicht wäre, sondern irgendein anderer, der mir außerordentlich ähnlich sieht, und ein Gesicht machen, als ob es mich nichts anginge? Ich bin es wirklich nicht, ich bin es nicht; damit Punktum!« sagte Herr Goljadkin, während er seinen Hut vor Andrei Filippowitsch abnahm und die Augen nicht von ihm verwandte. »Ich, ich weiß von nichts,« flüsterte er mit Anstrengung, »ich weiß schlechterdings von nichts; ich bin es gar nicht, ich bin es nicht;
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