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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
Autoren: Bastian Sick
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Hauptwort gehalten wird, liegt möglicherweise an der Ähnlichkeit zu Grußformeln wie »Guten Morgen« und »Auf Wiedersehen«, die wirklich ein Hauptwort enthalten.
    Wenn auf »herzlich« verzichtet wird und »willkommen« an den Satzanfang rückt, dann wird es freilich auch als Wiewort großgeschrieben.
    Der aus dem Englischen übernommene Modernismus »Willkommen zurück!« (»Welcome back!«) schreibt sich zwar mit großem »Willkommen«, aber nicht mit großem »Zurück«, es sei denn, »Zurück« ist der Name eines Menschen, den man mit ausgelassenem Komma begrüßt. Das Gleiche gilt auch für »Willkommen daheim« und »Willkommen zuhause«.
    Viele Händler meinen, Eigenschaftswörter großschreiben zu müssen, um sie besonders hervorzuheben: »Ständig Neue Angebote«, »Nur Feinste Qualität«, »Kostet nichts Extra« oder »Heute Geschlossen!«. Wenn ein Wort betont werden soll, kann man es unterstreichen , in Fettschrift oder Kursivschrift setzen oder in VERSALIEN schreiben. Plötzliche Großschreibung, Wo Kleinschreibung erwartet Wird, schafft Keine Betonung, Sondern Verwirrung.*
    Auch das kleine Wörtchen »bitte« bereitet Probleme. Einerseits beim Aussprechen, das vielen einfach nicht gelingen will. Andererseits beim Schreiben: »Hier Bitte Münzen einwerfen« steht auf einem Automaten oder »Affen Bitte nicht füttern« an einem Tiergehege. Dabei ist »bitte« ein Adverb und als solches bitte nur dann großzuschreiben, wenn es am Satzanfang steht. Danke!
    Beim »bitte«-Schwesterwort »danke« ging die Verwirrung so weit, dass die Rechtschreibreformer beschlossen, die Großschreibung für zulässig zu erklären. Nicht beim Verb »danken« (»Ich Danke dir« ist nach wie vor falsch), sondern beim Adverb »danke«: »Ich möchte dir Danke sagen«. Das ist heute erlaubt, sogar empfohlen. Die klassische Schreibweise »Ich möchte dir danke sagen« ist nur noch zweite Wahl. Als ich meine Freundin Sibylle einmal per SMS fragte, ob ich sie ins Kino einladen dürfe, schrieb sie neuorthografisch korrekt, doch in der für sie typischen verdrehten Weise zurück: »Da sage ich nicht Danke!«
    In der nächsten Rechtschreibreform wird dann vielleicht »Herzlich Willkommen« für korrekt erklärt und »Neues Jahr« zum Namen ernannt. Das möchte ich aber »Bitte« nicht mehr erleben müssen!
* Mehr dazu im Kapitel »Liebling, Was Wird Nun Aus Uns Beiden?« (in diesem Buch auf S. 122)

Zum Komma in Grußformeln siehe »Hello, Dolly!« (in diesem Buch auf S. 164)

Hallo und tschüs!
    Eine Passauer Schulleiterin hat an ihrer Schule ein Verbot für die Grußwörter »hallo« und »tschüs« erlassen. Ob das den Schülern hilft, sich besser in der Welt zurechtzufinden? Und sind diese Wörter wirklich so unangemessen, wie die bayerische Pädagogin glaubt?
    Es war eine seltsam unzeitgemäße Meldung, die an einem frostigen Wochenbeginn im Januar 2012 für Aufregung und Erheiterung sorgte: Eine Schulleiterin im bayerischen Passau hatte an ihrer Schule ein Verbot für die Grußwörter »hallo« und »tschüs« erlassen. Sie empfinde diese als respektlos, gab sie als Begründung an. Außerdem sei gerade das norddeutsche »tschüs« alles andere als bayerisch. Daher habe sie ihre Schule zur »hallo- und tschüs-freien Zone« erklärt. Wer sich nicht mit »Grüß Gott!« anfreunden könne, der solle »Guten Tag« und »Auf Wiedersehen« sagen.
    Einerseits war diese Nachricht erfreulich, denn wenn die Passauer keine größeren Sorgen hatten als ein respektlos erscheinendes »hallo« oder »tschüs«, dann schien es ihnen beneidenswert gut zu gehen. In anderen Gegenden Deutschlands, gerade in urbanen Ballungsräumen, sind manche Lehrer schon froh, wenn ihre Schüler sie überhaupt eines Grußes würdigen, und sei es nur »Morgen!«, »Tach!« oder »Na!«. Aber von derartigen Zuständen ist man in Passau zum Glück (noch) weit entfernt. Selig sind die Randgemeinden!
    Es ist auch nichts dagegen zu sagen, dass eine Schulleiterin sich bemüht, ihren Schülern gute Umgangsformen zu vermitteln. Respekt ist eine wertvolle Tugend und sollte, genau wie Rücksichtnahme, Fairness und Umweltbewusstsein, im Schulunterricht regelmäßig thematisiert werden.
    Doch die Frage ist, ob der Weg über ein Verbot der richtige ist. Man kann sich Wörter verbitten, die beleidigend sind. Verbale Grobheiten und Gemeinheiten kann man untersagen. Im Falle der Passauer Rektorin ging es aber nicht um vorsätzliche Beleidigungen oder Grobheiten, sondern
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