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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
Autoren: Bastian Sick
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auf Mallorca und den Friseur von nebenan. 2006 war für Deutschland das Jahr des Fußballs – daher darf ein Kapitel zum Thema Fußballerdeutsch nicht fehlen. 2006 war außerdem das Jahr, in dem die Rechtschreibreform in ihrer endgültigen Form in Kraft trat. Das zweite Kapitel dieses Buches kommentiert jenes bis heute umstrittene Werk und den mühsamen Prozess seiner Entstehung. Im Anschluss gibt es einen neuen Deutschtest – für alle, die ihr altes und neues Wissen gleich in der Praxis überprüfen wollen. Und zu guter Letzt wird das Abc aus dem ersten Band fortgesetzt, von »Albtraum« bis »zurückgehen«.Ich danke den Menschen, die mir bei der Arbeit an diesem Buch geholfen haben, namentlich Birgit Schmitz, Dörte Trabert, Anne Jacobsen und Pamela Schäfer. Vor allem aber danke ich meinen Lesern, ohne deren Anregungen, Fragen und Ideen dieses Buch nicht zustande gekommen wäre. Regeln kann man nachschlagen, Fakten kann man recherchieren – aber die schönsten Quellen für meine Geschichten sind die Fundstücke, die meine aufmerksamen Leser mirschicken, und die lustigen Begebenheiten, die man mir schreibt oder erzählt: »Wissen Sie, wie man hier bei uns sagt?«Viel Spaß auch diesmal! Aller guten Dinge sind drei – oder, wie meine Freundin Sibylle sagen würde: Gut Ding will Dreie haben!

    Bastian Sick
    Hamburg, im August 2006

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    Wem sein Brot ich ess, dem sein Lied ich sing
    Annes Armband ist unauffindbar? Konrads Kamera ist verschwunden? Ein Fall für Inspektor Dativ! Der nuckelt an seinem Pfeifchen und stellt fest: Alles eine Frage des Falles! Wenn man die Leute nach der Anne ihr Armband fragt und nach dem Konrad seine Kamera, dann tauchen all diese Dinge wie von selbst wieder auf.
     
    Als ich mich vor drei Jahren zum ersten Mal in einer Geschichte mit dem Todeskampf des Genitivs befasste, war ich mir der Tragweite des Problems gar nicht bewusst. Ich hatte ein paar harmlose Bemerkungen über den Rückgang des Genitivs hinter bestimmten Wörtern wie »wegen« oder »laut« zu Papier gebracht und ahnte nicht im Geringsten, dass dies nur die Spitze des Eisbergs war.
    Aufgrund der vielen Zuschriften, die ich nach Erscheinen meines ersten Buches erhielt, und der starken Resonanz, die der Titel »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod« überall in Deutschland hervorrief, dämmerte mir schließlich, dass ich, indem ich an der Spitze des Eisbergs gekratzt hatte, auf etwas viel Härteres gestoßen war, nämlich dem Eisberg seine Spitze.
     
    Wer wie ich in einer genitivfreundlichen Biosphäre aufgewachsen ist, macht sich nicht immer klar, dass Michaels Mutter und Lauras Freunde für viele, wenn nicht gar für die meisten Deutschen »dem Michael seine Mutter« und »der Laura ihre Freunde« sind. Im gesprochenen Deutsch wird der Genitiv gern umgangen, deshalb heißt es wohl auch Umgangssprache. In den meisten Dialekten kommt er überhaupt nicht mehr vor, dort ist er dem Dativ seine fette Beute geworden.
    Wenn man im Rheinland den Besitzer einer Tasche ermitteln will, stellt man die Frage so: »Wem sing Täsch is dat?« Mit »Wessen Tasche ist das?« brauche man es gar nicht erst zu versuchen, klärte mich der großartige Sprachkabarettist Konrad Beikircher unlängst auf, »das verstehen die Rheinländer nicht, da gucken die weg«. Der »Wem-sing«-Fall, also der besitzanzeigende Dativ, regelt klar und verständlich, was Sache ist, und vor allem: wem seine Sache es ist.
    Eine Lehrerin aus Baden-Württemberg sagte mir, dass der Genitiv in ihrer Region komplett ausgestorben sei, sie sehe daher keinen Sinn mehr darin, ihn heute noch zu unterrichten. »Ich bin Lehrerin für lebende Sprache, nicht für tote Fälle«, schloss sie lächelnd.
    Selbst Linguisten sehen keinen Grund, dem Genitiv nachzuweinen. Andere Sprachen kämen ja auch ohne Wes-Fall aus. Das stimmt natürlich. Doch müssen wir uns andere Sprachen zum Vorbild nehmen? Dann könnten wir das unbequeme Deutsche doch gleich ganz abschaffen und Englisch als Landessprache einführen.
    Aber so weit würden wir wohl doch nicht gehen wollen. Denn wenn wir ehrlich sind, dann lieben wir die deutsche Sprache, auch wenn sie kompliziert ist und ihre Macken hat. Vielleicht ja sogar gerade deswegen.
     
    Und so unpopulär, wie es den Anschein hat, ist der Genitiv gar nicht. Ein hartnäckiger Rest hält sich selbst in jenen Dialekten, die mit hochdeutscher Grammatik angeblich nichts zu tun haben. Im Schwäbischen zum Beispiel taucht der Genitiv noch vor männlichen
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