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Der Codex

Titel: Der Codex
Autoren: Douglas Preston
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Die Diebe hatten nicht nur genau gewusst, was sie taten, sie hatten sich auch Zeit gelassen, um das Ding richtig zu drehen. Barnaby hob die Nase witternd in die Luft. Es roch nicht nach dem süßsauren Gestank einer Leiche.
    Im Haus wirkte der Raub ebenso lang her wie draußen. Es musste vor einer Woche passiert sein. Vielleicht auch vor zweien. Barnaby bückte sich und schnüffelte am Ende eines abgesägten Holzstücks. Es roch nicht wie frisch abgesägt. Er hob einen Grashalm auf, den jemand ins Haus g e schleppt hatte, und zerbröselte ihn zwischen den Fingern. Trocken. Auch die von einem schlurfenden Stiefel ins Haus getragenen Erdklümpchen waren absolut dröge. Barnaby erinnerte sich: Heute vor zwei Wochen hatte es zum letzten Mal geregnet. An diesem Tag war es passiert; höchstens vierundzwanzig Stunden nach dem Regen, als der Boden noch nass gewesen war.
    Er schlenderte durch einen riesigen gewölbten Mittelgang. Sein Blick fiel auf die mit Bronzeplatten versehenen Sockel, auf denen einst Statuen gestanden hatten. Die gekalkten Wände zeigten schwach erkennbare Rechtecke. Dort hatten Gemälde gehangen. Auf Eisengestellen waren blassgelbe Kreise zu sehen, auf denen einst antike Behältnisse gesta n den hatten. In den leeren Regalen gab es verstaubte Lücken. Auch dort hatten vermutlich Schätze geruht. Dunkle Stellen in den Bücherregalen zeigten an, wo man Bücher entfernt hatte.
    Barnaby kam an die Schlafzimmertür und begutachtete eine Reihe schmutziger hinein- und hinausführender F u ßabdrücke. Noch mehr getrocknete Erde. Herrgott, es w a ren mindestens ein halbes Dutzend Leute gewesen. Sie ha t ten sich heftig abgeplackt und waren mindestens einen, wenn nicht gar zwei Tage hier gewesen.
    Im Schlafzimmer stand ein Apparat. Barnaby erkannte in ihm einen jener Schaumstoffautomaten, wie man sie bei UPS einsetzte. In einem anderen Raum fand er einen Ei n schweißer für größere Gegenstände. Er stieß auf Holzstapel, Filzrollen, Metallverschlussband, Schrauben, Muttern und mehrere Handsägen. Liegen gebliebene Gerätschaften, ein paar tausend Dollar wert. Die Diebe hatten sich nicht die Mühe gemacht, irgendetwas anderes mitzunehmen: Im Wohnzimmer standen ein Fernseher im Wert von tausend Dollar, ein Videorekorder, ein DVD-Player und zwei Co m puter. Barnaby dachte an seinen eigenen Schrottfernseher und an seinen Videorekorder und an die Raten, die er für die Geräte noch abzahlte, mit denen seine Frau und ihr neuer Freund sich zweifellos jeden Abend Pornofilme rei n zogen.
    Er stieg vorsichtig über eine am Boden liegende Videokassette hinweg. »Drei zu fünf, dass der Typ tot ist. Zwei zu fünf, dass es sich um Versicherungsbetrug handelt.«
    »Du lässt wahrhaftig kein Vergnügen aus, das das Leben einem bietet, Fenton.«
    Irgendjemand musste diese ganzen Aktivitäten hier oben doch gesehen haben. Das Haus stand auf einem Hügel und war von Santa Fe aus überall sichtbar. Hätte er sich vor zwei Wochen die Mühe gemacht, einen Blick aus dem Fe n ster seiner Hütte im Tal zu werfen, hätte er den Raub vie l leicht sogar selbst beobachtet: Hier waren in der Nacht b e stimmt alle Lichter an gewesen, und die Lasterscheinwerfer hatten den Hügel hinab geleuchtet. Er wunderte sich erneut über die Dreistigkeit der Diebe. Wieso waren sie so rot z frech vorgegangen? Das war doch nicht normal.
    Barnaby warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Sie ha t ten nicht mehr viel Zeit. Der Wagen der Spurensicherung würde jeden Moment hier sein.
    Er durchquerte rasch und methodisch die Räume und schaute sich um. Notizen machte er sich allerdings keine. Denn Notizen, das hatte er gelernt, kehrten immer wieder zurück, um einen zu piesacken. Alle Räume waren geplü n dert. Die Leute hatten wirklich perfekt gearbeitet. In einem Zimmer hatten sie einen Haufen Schachteln ausgepackt. Überall lag Papier auf dem Boden verstreut. Barnaby hob ein Blatt auf. Es war irgendein Lieferschein. Er war vor e i nem Monat ausgestellt worden und bezog sich auf franz ö sische Kochtöpfe und Pfannen im Wert von vierundzwa n zigtausend Dollar sowie deutsche und japanische Messer. Wollte der Typ ein Restaurant aufmachen?
    Im hinteren Teil des Schlafzimmers stieß er auf einen Schrank, der so groß war, dass man in ihn hineingehen konnte - und auf eine riesige Stahltür, die einen Spalt offen stand.
    »Fort Knox«, meinte Fenton.
    Barnaby nickte. Irgendwie war es verwunderlich, dass es in einem Haus voller Millionen-Dollar-Gemälden etwas
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