Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Coach

Titel: Der Coach
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
über Nacht zu einem ganz normalen Studenten gemacht hatte, saß Neely einmal in einer Kneipe, als ihn eine ehemalige Mit-Schülerin aus Messina erkannte. »Hast du schon die Neuigkeiten von daheim gehört?«, fragte sie.
    »Was für Neuigkeiten?«, fragte Neely zurück, obwohl ihn nichts weniger interessierte als Neuigkeiten aus seiner Heimatstadt.
    »Es gibt einen neuen Rekord beim Spartan-Marathon.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, dreiundachtzig Runden.«
    Neely wiederholte ihre Worte, rechnete nach und sagte dann: »Das sind fast vierunddreißig Kilometer.«
    »Stimmt.«
    »Und wer war das?«
    »Ein Typ namens Jaeger.«
    Tratsch über die jüngsten Ergebnisse des sommerlichen Konditionstrainings – das gab es nur in Messina. Jetzt kam Randy Jaeger die Tribüne hinauf. Sein grünes Spielertrikot mit der weißen, silbern umrahmten Fünf darauf hatte er in die Jeans gesteckt. Er war klein, sehr schmal um die Hüften, ganz offensichtlich ein schneller Wide Receiver mit beeindruckenden Sprintleistungen. Er erkannte Paul und, als er näher kam, auch Neely. Drei Reihen unter ihnen blieb er stehen und sagte: »Neely Crenshaw.«
    »Der bin ich«, sagte Neely. Sie schüttelten sich die Hand. Paul kannte Randy Jaeger ganz gut, denn seine Familie – das wurde im Gespräch rasch deutlich – besaß ein Einkaufszentrum im Norden der Stadt und gehörte, wie fast alle Einwohner von Messina, zu Pauls Kunden. »Gibt’s was Neues von Rake?«, fragte Randy. Er setzte sich in die Reihe hinter den dreien und beugte sich zu ihnen vor.
    »Nicht viel. Noch hält er durch«, erwiderte Paul ernst. »Wann hast du aufgehört zu spielen?«, wollte Neely wissen.
    »1993.«
    »Und wann wurde er entlassen?«
    »1992, in meinem letzten Schuljahr. Ich war damals Mannschaftskapitän.«
    Sie schwiegen betroffen. Die Geschichte von Rakes beruflichem Ende zog an ihnen vorüber, ohne dass jemand etwas dazu sagte. Neely hatte sich damals irgendwo im Westen von Kanada herumgetrieben und ein Nachstudiumstief ausgelebt, das ganze fünf Jahre dauerte.
    So hatte er die Tragödie verpasst. Nach und nach hatte er ein paar Details erfahren, trotz aller Bemühungen, sich einzureden, es interessiere ihn nicht, was mit Eddie Rake geschehe.
    »Und du bist also dreiundachtzig Runden gelaufen?«, fragte Neely schließlich.
    »Ja, das war 1990, im vorletzten Schuljahr.«
    »Immer noch Rekord?«
    »Ja. Und du?«
    »Einunddreißig, im letzten Schuljahr. Dreiundachtzig, das ist kaum zu glauben.«
    »Ich hatte Glück. Es war kühl und bewölkt.«
    »Wie viel hat der Zweite geschafft?«
    »Fünfundvierzig, glaube ich.«
    »Scheint nicht nur Glück gewesen zu sein. Hast du im College noch gespielt?«
    »Nein, ich wog nur fünfundsechzig Kilo, und zwar mit Schutzpolstern.«
    »Er war zwei Jahre hintereinander der Beste im Staat«, sagte Paul. »Und hält immer noch den Rekord im Raumgewinn beim Return. Aber seine Mutter hat ihn halt nicht richtig gemästet.«
    »Eines wüsste ich gern«, begann Neely. »Ich bin einunddreißig Runden gelaufen und dann völlig erledigt zusammengebrochen. Anschließend hat Rake mich total zur Sau gemacht. Was hat er zu dir gesagt, nach deinen dreiundachtzig Runden?«
    Paul gab ein Grunzen von sich und grinste. Er kannte die Geschichte bereits. Jaeger schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Typisch Rake«, sagte er. »Als ich nicht mehr konnte, kam er zu mir und sagte laut: ›Und ich dachte, du schaffst hundert.‹ Aber das galt eigentlich nur den anderen. Später, in der Umkleide, hat er mir zugeflüstert, dass es eine starke Leistung war.«
    Zwei Jogger verließen die Tartanbahn, stiegen ein paar Reihen hinauf, setzten sich nebeneinander und blickten auf das Feld. Beide waren Anfang fünfzig, braun gebrannt, gut in Form und mit teuren Laufschuhen bewaffnet.
    »Der Typ rechts ist Blanchard Teague«, erklärte Paul, wie um zu beweisen, dass er tatsächlich jeden kannte. »Unser Optiker. Links sitzt Jon Couch, er ist Anwalt. Sie haben in den Sechzigern gespielt, während der Großen Serie.«
    »Dann haben sie also nicht ein Spiel verloren«, sagte Randy.
    »Genau. Und gegen das Team von 1968 hat noch nicht mal jemand gepunktet. Zwölf Spiele, zwölf Siege ohne Punkt für die Gegner. Die beiden waren dabei.«
    »Wahnsinn«, hauchte Randy mit Ehrfurcht in der Stimme.
    »Das war vor unserer Geburt«, sagte Paul.
    Eine Saison ohne Punkt für den Gegner, das musste man erst einmal verarbeiten. Der Optiker und der Anwalt unterhielten sich angeregt. Bestimmt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher