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Der Coach

Titel: Der Coach
Autoren: John Grisham
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dürr und klapprig, wie er war, gleichermaßen zum Entsetzen und zur Begeisterung der zehntausend Messina-Anhänger in den Ring und rammte Lightning etwa an der Fünfunddreißig-Yard-Linie.
    Loyd spürte den Aufprall kaum. Für ihn war es, als wäre ihm eine Fliege gegen die Windschutzscheibe geflogen. Für den damals schon mindestens vierzigjährigen Rabbit sollte sich der Hit als beinahe tödlich erweisen. Er trug Khakihosen, ein grünes Messina-Sweatshirt, eine grüne Schirmmütze, die hoch in die Luft flog und erst in zehn Metern Entfernung zu Boden fiel. Einer seiner spitzen Cowboystiefel löste sich vom Fuß und blieb einsam liegen, während Rabbit durch die Luft segelte. Bis in die dreißigste Reihe hinauf schworen die Zuschauer Stein und Bein, sie hätten Rabbits Knochen brechen hören.
    Hätte Lightning seinen Sprint einfach fortgesetzt, wären die anschließenden Auseinandersetzungen entschieden weniger heftig ausgefallen. Doch der arme Kerl war so erschrocken, dass er über die Schulter zurückschaute, um zu sehen, wen oder was er da gerade umgerannt hatte, und dabei verlor er das Gleichgewicht. Er stolperte noch fünfzehn Yards weiter, und als er schließlich etwa bei der Zwanzig-Yard-Linie zu Boden ging, war das Feld mit gelben Flags übersät.
    Während die Trainer sich um Rabbit scharten und darüber berieten, ob man nun einen Krankenwagen oder einen Priester rufen solle, werteten die Schiedsrichter den Touchdown unbemerkt als Punkt für Greene County. Rake versuchte kurz, die Entscheidung anzufechten, gab sich dann aber geschlagen. Er war ebenso schockiert wie alle anderen, und er machte sich große Sorgen um Rabbit, der reglos dalag.
    Es dauerte zwanzig Minuten, bis man Rabbit vorsichtig aufheben, auf eine Trage legen und sie in den Krankenwagen schieben konnte. Als der Notarzt davonfuhr, erhoben sich die zehntausend Messina-Fans und applaudierten respektvoll. Die Fans von Greene County wussten nicht recht, ob sie ebenfalls applaudieren oder vielleicht doch buhen sollten, und so blieben sie schweigend sitzen und versuchten zu verarbeiten, was sie gerade erlebt hatten. Sie hatten zwar ihren Touchdown, aber dieser arme Verrückte schien tot zu sein.
    Rake, ein Meister der Motivation, nutzte die Verzögerung dazu, seine Truppe anzustacheln. »Rabbit geht viel härter ran als ihr Hampelmänner«, raunzte er seine Defense an. »Na los, gewinnen wir das Spiel, tun wir’s für Rabbit!«
    Messina erzielte drei Touchdowns im letzten Viertel und gewann damit mühelos.
    Rabbit überlebte. Er hatte sich das Schlüsselbein gebrochen, und drei untere Wirbel waren angeknackst. Die Gehirnerschütterung war nicht besonders schwer, und wer ihn kannte, behauptete, keine zusätzlichen Gehirnschäden feststellen zu können. Danach war Rabbit der Held der Stadt, und Rake verlieh von da an beim alljährlichen Festessen des Teams die Rabbit Trophy für den Hit des Jahres.
    Die Lichter strahlten heller, je weiter die Dämmerung fortschritt. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an den Anblick des Rake Field im Zwielicht. Auf der anderen Seite der Tribüne hatte sich eine weitere, etwas kleinere Gruppe ehemaliger Spartans eingefunden. Ihre Stimmen waren kaum zu vernehmen.
    Silo öffnete die nächste Flasche und trank sie zur Hälfte leer.
    »Wann hast du Rake das letzte Mal gesehen?«, wollte Blanchard Teague von Neely wissen.
    »Ein paar Tage nach meiner ersten Operation«, erwiderte Neely, und alle verstummten. Immerhin erzählte er eine Geschichte, die man in Messina bisher noch nicht gehört hatte. »Ich lag im Krankenhaus. Die erste Operation war vorbei, aber es standen noch drei weitere an.«
    »Es war ein hinterhältiges Foul«, murmelte Couch, als hätte Neely diese Bestätigung gebraucht.
    »Und ob«, bekräftigte Amos Kelso.
    Neely sah die Menschen vor sich, wie sie in den Cafés an der Main Street saßen – ihre langen, traurigen Gesichter, ihre leisen, ernsten Stimmen – und sich den Late Hit in Erinnerung riefen, der die Karriere ihres AllAmerican so plötzlich zerstört hatte.
    Eine Krankenschwester hatte damals zu ihm gesagt, eine solche Flut von Mitleidsbekundungen habe sie noch nie erlebt: Karten, Blumen, Pralinen, Luftballons, Basteleien ganzer Grundschulklassen. Und alles aus der drei Stunden entfernten Kleinstadt Messina.
    Mit Ausnahme seiner Eltern und der Tech’s-Trainer empfing Neely keine Besucher. Acht lange Tage versank er in Selbstmitleid, mit freundlicher Unterstützung so vieler Schmerzmittel,
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