Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Clan

Titel: Der Clan
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
schlenderte zum Haus.
    Die Frau lächelte mir zu. Sie mußte um die Fünfzig sein, ihr angegrautes schwarzes Haar war im Nacken zu einem strengen Knoten zusammengezogen. Sie war nur wenig geschminkt.
    »Ich bin Mrs. Craddock, Mr. Hardemans Sekretärin.«
    »Guten Tag«, sagte ich.
    »Mr. Hardeman läßt sich entschuldigen. Aber er hält im Augenblick seinen Nachmittagsschlaf. Er bittet Sie, um fünf Uhr
    auf einen Drink zu ihm in die Bibliothek zu kommen. Das Abendessen wird pünktlich um halb sieben serviert. Wir essen früh, weil Mr. Hardeman sich um neun Uhr zurückzieht.«
    »Mir ist alles recht.«
    »Donald wird Sie auf Ihr Zimmer führen«, sagte sie und ging mir voran ins Haus. »Sie möchten sich vielleicht gern waschen. Wenn Sie Lust haben zu schwimmen, am Strand ist ein Pool. In den Kabinen finden Sie eine Auswahl Badehosen.«
    »Besten Dank. Aber ich glaube, ich werde dem Beispiel von Nummer Eins folgen. Ich bin ein wenig müde.«
    Sie nickte und entfernte sich; ich folgte Donald über die Treppe zu meinem Zimmer.
    Ich ging ins Bad, um mir das Gesicht zu waschen. Als ich wieder herauskam, war meine Tasche ausgepackt, das Bett aufgeschlagen, die Vorhänge waren zugezogen, und einer meiner Pyjamas lag bereit.
    Ich konnte nicht widerstehen und zog mich aus. Zehn Minuten später war ich eingeschlafen.
    Er wartete in der Bibliothek, als ich die Treppe hinunterkam, und streckte mir die Hand entgegen: »Angelo.«
    Ich nahm sie. Sein Griff war fest. »Guten Tag, Nummer Eins.«
    Er lächelte und sagte vorwurfsvoll: »Ich weiß eigentlich nicht, ob mir das gefällt. Es klingt nach altem Mafiahäuptling.«
    »Keine Spur!« sagte ich lachend. »Wenn etwas von den Geschichten wahr ist, die man sich über meinen Großvater erzählt hat, dann war er ein Mafiahäuptling. Aber ich habe nie gehört, daß ihn jemand Nummer Eins genannt hätte.«
    »Kommen Sie ans Fenster und lassen Sie sich ansehen.«
    Ich folgte seinem Rollstuhl zu den großen Türen, von denen man über die Terrasse den Blick auf die See hatte, und wandte mich ihm zu. Er starrte mir ins Gesicht. »Also eines ist sicher, schön sind Sie nicht.« »Das hab’ ich auch gar nicht behauptet.«
    »Wir werden mit diesen Brandnarben etwas unternehmen müssen, wenn Sie für mich arbeiten«, sagte er. »Wir können Sie nicht als Kinderschreck herumlaufen lassen.«
    »Augenblick mal«, sagte ich. »Wer hat gesagt, daß ich für Sie arbeiten würde?«
    »Sie sind doch hier, nicht wahr?« sagte er mit einem schlauen Blick. »Oder dachten Sie, ich hätte Sie nur als Zeitvertreib hergeholt?« Ich antwortete nicht.
    »Ich bin zu alt«, fuhr er fort. »Ich habe Pläne. Und ich habe nicht mehr allzuviel Zeit zu vergeuden.« Er rollte seinen Stuhl ins Zimmer zurück.
    »Machen Sie sich einen Drink zurecht und setzen Sie sich hin. Ich bekomme einen steifen Nacken, wenn ich immer zu Ihnen hochschauen muß.«
    Ich ging zum Büfett und goß mir einen Crown Royal on the rocks ein. Er beobachtete, wie ich mich hinsetzte und den Drink kostete.
    »Verdammt!« sagte er. »Ich wollte, ich könnte auch einen trinken.«
    Dann lachte er. »Ich erinnere mich noch, es war im Jahr 1903 oder 1904, kurz nachdem Charlie Sorensen mir drüben bei Ford einen Posten verschafft hatte. Wir arbeiteten an dem Modell K, und Mr. Ford kam vorbei, weil es sein Prinzip war, mit jedem neuen Mann persönlich zu sprechen.
    >Trinken Sie?< fragte er.
    >Ja<, antwortete ich.
    >Rauchen Sie?<
    >Ja.<
    Mr. Ford schwieg, er starrte mich bloß an. Nach einer Weile wurde mir unbehaglich zumute, und ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.
    >Aber ich laufe nicht mit Weibern herum, Mr. Ford<, platzte ich heraus. >Ich bin verheiratet.<
    Er starrte mich noch einen Moment an, dann drehte er sich um und entfernte sich wortlos. Zehn Minuten später kam Charlie und warf mich hinaus. Er hatte mich erst am selben Morgen angestellt. Ich nehme an, er sah mein Gesicht. Ich war bestürzt. Er wußte sicher, daß meine Frau ein Kind erwartete. Wahrscheinlich tat ich ihm leid.
    >Gehen Sie rüber zu Dodge Brothers und sagen Sie, ich hätte Sie geschickt, sagte er. >Die werden Ihnen einen Job geben.< Er wollte schon fortgehen, drehte sich aber noch einmal um.
    >Wissen Sie, Hardeman<, sagte er, >Mr. Ford hat keine Schwächen. Überhaupt keine.<
    Aber er hatte unrecht. Mr. Ford hatte eine unverzeihliche Schwäche. - Er war unduldsam.«
    Ich trank wieder einen Schluck und schwieg.
    Seine Augen ließen mich nicht los. »Ich möchte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher