Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
ihr schwarzen Teufel! Bevor ihr auch nur einen einzigen verdammten Schritt auf Roanoke Island setzt, will ich sicher sein, dass keiner mehr stinkt. Also, wascht euch gegenseitig ab!«
    Die Schwarzen drängten sich zusammen und blickten ihn verständnislos an. Nur der Größte stand aufrecht da.
    »Ihr sollt euch waschen, verdammte Höllenbrut!« Murphy ließ die Peitsche über den Köpfen knallen. Die Neuankömmlinge stammelten irgendein Kauderwelsch, gehorchten aber nicht.
    »Ihr wollt nicht? Dann will ich euch das Tanzen lehren! Vielleicht werdet ihr dadurch sauber! Hüpft, ihr verdammten Heiden!« Jetzt machte Murphy ernst. Das lederne Ende mit den harten Knoten landete klatschend auf Nasen, Mündern und Wangen. Die Schwarzen schrien auf und duckten sich unter den Hieben. Nur der Größte stand weiter aufrecht da.
    »Gib dir keine Mühe.« José sprang an Land, während sich der Steven des Beiboots knirschend in den Sand grub. »Sie verstehen dich nicht. Sie verstehen sich nicht einmal untereinander. Jedenfalls die meisten. Sie sind von ganz verschiedenen Stämmen: Temne, Kru, Ibo, Coramantier und Nupe. Der portugiesische Kapitän hat sie im Golf von Guinea auf einer Länge von über tausend Meilen zusammengekauft. Hier steht’s.«
    Murphy guckte stirnrunzelnd auf das Dokument, das José ihm unter die Nase hielt. Alle Schwarzen waren darauf mit Namen und Herkunft vermerkt. »Hmja, wenn’s so ist.«
    »Verlass dich drauf. Willst du den Empfang der Ware hier unten gegenzeichnen? Ich habe Feder und Tinte dabei.« José grinste zahnlos. Er machte sich einen Spaß daraus, die Frage zu stellen, denn er wusste genau, dass Murphy nicht einmal in der Lage war, seinen eigenen Namen zu schreiben. »Das Datum von heute habe ich schon eingetragen«, fuhr er fort und zeigte auf die Zeile:
     
    21. Tag des Monats Juni, Anno Domini 1577
     
    »Hm, hm. Wieso bist du eigentlich so verdammt spät dran mit den Niggern? Der Master ist schon seit einem Monat aus Habana zurück«, versuchte der Aufseher abzulenken.
    José rollte das Dokument zusammen. »Als ob du das nicht genau wüsstest! Thomas Collincourt ist nicht der Einzige, der ungern mit stinkenden Sklaven zusammen reist. Schon gar nicht auf einer so langen Überfahrt wie dieser. Sind immerhin mehr als fünfhundert Meilen hier herauf, und in Florida gibt es ebenso Pflanzer, die ich beliefere. Da war ich natürlich zuerst.« Er drückte Murphy die Rolle in die Hand. »Zeig das Master Collincourt, dann wird er sehen, dass alles seine Richtigkeit hat.«
     
    »Abmarsch! Und keine Sperenzchen!«, brüllte Murphy. Er saß auf dem Karren, vor den Chopper sich bereits gespannt hatte, und hielt eine Muskete in der Hand, die er unverwandt auf die Schwarzen richtete. Auch wenn diese Teufel seine Worte nicht verstanden – er wusste, die Drohung war eindeutig genug.
    Vorhin, als das weiß glühende Brenneisen sich in ihre Schultern hinein gefressen hatte, war noch einmal ein großes Gezeter ausgebrochen. Inkpot hatte das Brenneisen geführt, und gezischt hatte es, wie wenn ein Kübel Wasser ins Feuer gekippt wird. Murphy hatte den Geruch nach verbrannter Haut genüsslich wahrgenommen, und während die Teufel schrien, war ihm ein Schauer den Rücken hinuntergelaufen. Fast hatte er es bedauert, dass Inkpot so schnell fertig geworden war.
    Doch jetzt hatten die Gemüter sich wieder beruhigt. Die Schwarzen standen da wie gelähmt – einer hinter dem anderen. Den Schluss bildete der Riese. Chopper und Inkpot hatten jeweils zweien von ihnen die Jochhölzer angelegt: schwere Äste, die an beiden Enden gabelförmig auseinander liefen. Die Gabeln umschlossen den Hals und wurden am offenen Ende mit einer Querstange geschlossen. Okumba, so wurde der Riese gerufen, hatte das Jochholz zusammen mit der Frau. Sie war fast zwei Köpfe kleiner als er, was beim Anlegen einige Schwierigkeiten bereitet hatte. Murphy sah, dass sie Brüste wie Melonen hatte, voll und schwer, und er hätte gern mehr von ihrer Weiblichkeit erspäht, aber leider trug sie, wie auch die männlichen Sklaven, einen Lendenschurz.
    »Abmarsch!«, brüllte Murphy noch einmal. Chopper legte sich ins Zeug, und der Karren kam rumpelnd ins Rollen. Der Weg führte sie in nordwestliche Richtung durch flaches Grasland. Der Boden war staubig, und Murphy sehnte sich nach einem anständigen Schluck Brandy. Die Schwarzen trotteten mit gesenkten Köpfen neben dem Wagen her. Nur der Riese Okumba ging hoch aufgerichtet und blickte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher