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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander
Autoren: Alexander Kent
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Grinsen unterdrückend, dachte er: Junge, du hast noch eine Menge zu lernen. Du weißt gar nicht, wieviel.

Das Schiff ohne Namen
    Die ganze erste Woche nach ihrem Auslaufen hatte
Achates
mit schwachen und umspringenden Winden zu kämpfen. Kaum eine Stunde verging, ohne daß die Segel neu getrimmt werden mußten, damit sie Ruder im Schiff behielten und beim Kreuzen nicht auf den alten Kurs zurückgedrückt wurden.
    Die nervtötende Eintönigkeit wirkte sich auf die Stimmung an Bord aus. Nach dem Zeitdruck und der Aufregung des Aufbruchs führte die plötzliche Untätigkeit des öfteren dazu, daß Aufsässigkeit und Streitsucht mit Auspeitschungen an der Gräting geahndet werden mußten.
    Bei einem solchen Strafvollzug hatte Bolitho Keens Miene genau beobachtet. Manche Kommandanten hätten sich davon nicht weiter erschüttern lassen, schließlich gehörte auch das zur Bordroutine; aber Keen war da anders. Bezeichnenderweise kam Bolitho gar nicht auf den Gedanken, daß er Keen auch darin in langen Dienstjahren selbst geprägt hatte. »Das Schlimmste daran ist«, hatte Keen bemerkt, »daß ich die Gefühle der Delinquenten verstehen kann. Manche haben nicht ein einziges Mal den Fuß an Land gesetzt, seit sie aus Westindien zurückgekehrt sind. Und jetzt müssen sie wieder hinaus. Sie sind dankbar dafür, daß ihnen Armut und Arbeitslosigkeit erspart bleiben, aber es empört sie, daß sie nicht besser behandelt werden als Gepreßte.«
    Erst zu Beginn der zweiten Woche frischte der Wind aus Nordwest auf und erweckte das Schiff endlich wieder zum Leben; immer höher wuchsen die beiden Gischtschwingen unter der verwitterten Galionsfigur.
    Die Ausguckposten in den Masttopps hatten bisher nur selten Segel an der verschleierten Kimm gesichtet, und auch diese Unbekannten waren stets schnell über Stag gegangen und verschwunden. Heimkehrende Schiffe, die seit Monaten ohne Informationen über die Vorgänge in Europa waren, gingen kein Risiko ein, wenn ihnen ein Kriegsschiff begegnete. Vielleicht war inzwischen ein neuer Krieg ausgebrochen? Immer noch mochten manche Kapitäne nicht wissen, daß längst ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet worden war.
    Die See schien
Achates
ganz allein zu gehören. Keen nahm die Gelegenheit wahr, seine Leute zu testen und ihnen seine Ansprüche klar zu machen. Segel- und Artilleriedrill lösten einander ab. dazwischen folgten Schießübungen für die Marine -Infanterie, und immer wieder wurden erfahrene Offiziere und Maaten dabei durch frisch angeheuerte Kameraden ersetzt. Keen verschaffte sich wohl Respekt, wurde aber bei Beginn jedes neuen Exerzierens herzhaft verflucht.
    Aber Bolitho wußte aus eigener bitterer Erfahrung, daß unter den beengten Verhältnissen an Bord nichts so schnell in Meuterei umschlug wie Langeweile.
    Er saß gerade beim Frühstück – Brot und dünne Scheiben fettes Schweinefleisch –, als Keen sich bei ihm melden ließ.
    Bolitho bat ihn, Platz zu nehmen. »Kaffee, Val?« Keen setzte sich.
    »Ich glaube, wir werden heimlich von einem fremden Schiff verfolgt, Sir.«
    Bolitho ließ Gabel und Messer sinken. Keen war nicht der Typ, der zu Übertreibung oder Phantasie neigte.
    »Wie das?«
    »Vor zwei Tagen sichtete mein bester Ausguckposten ein Segel, ziemlich weit in Luv. Zunächst maß ich dem nicht viel Bedeutung bei. Es konnte ein Handelsschiff sein, auf demselben Kurs wie wir.«
    Er spürte Bolithos Neugier und fügte erläuternd hinzu: »Ich wollte niemanden unnötig beunruhigen. Aber Sie werden sich erinnern, daß wir gestern beigedreht lagen, während wir mit den Steuerbord-Zwölfpfündern ein Übungsschießen auf Treibholz veranstalteten. Währenddessen blieb das fremde Segel die ganze Zeit an der Kimm. In dem Augenblick, als wir wieder Fahrt aufnahmen, folgte es uns, allerdings in weitem Abstand.« Er wartete vergeblich auf Bolithos Kommentar und sagte deshalb abschließend: »Es ist immer noch da.«
    Die Tür ging auf, Adam trat mit einer Seekarte unter dem Arm herein.
    Bolitho begrüßte ihn lächelnd. Seit dem Tag des Ankerlichtens vor der Beaulieu-Mündung hatten sie nur wenige Worte über seine Adoption gewechselt. Aber sie waren sich irgendwie nähergekommen, auch ohne große Aussprache.
    Er erinnerte sich, wie Belinda ihn zu diesem Schritt gedrängt und ermutigt hatte. Sie wußte seit den Tagen ihrer ersten Liebe, was Bolitho für seinen Neffen empfand, was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Fast hörte er noch ihre Worte: »Wenn unser Kind geboren
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