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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
Autoren: Martin Clauß
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Unterschied: Es herrscht Schlagzwang. Eine Figur, die eine andere schlagen kann, muss es auch tun. Das beschleunigt das Spiel. Werden Sie uns die Ehre erweisen, eine Runde mitzuspielen, Maler?“
    „Tja, ich weiß nicht. Ich …“
    „Meine Frau würde sich freuen.“
    Glücklicherweise wurde Eugen der Pflicht des Antwortens enthoben, denn der Baron sprach ihn an. Lorenz von Adlerbrunn teilte ihm mit, dass er des Banketts allmählich überdrüssig wurde und gedachte, sich bald zurückzuziehen. Er bat Eugen, sich von seiner Abwesenheit nicht stören zu lassen und sich bis in die frühen Morgenstunden hinein nach Herzenslust zu amüsieren, vor allen Dingen zu essen und zu trinken, so viel er konnte. Nebenbei solle er sich Gedanken über die Jagdszene machen, die er malen würde. Lorenz würde am nächsten Tag die Einzelheiten mit ihm besprechen.
    „Spielen Sie eigentlich Schach, Baron?“, wollte Eugen zum Abschied wissen. Er wusste selbst nicht genau, warum er diese Frage stellte.
    Der Baron verzog das Gesicht und brachte seinen Mund nahe an Eugens Ohr. „Schwarze und weiße Figuren auf einem Brett, einen Schritt vor, einen Schritt zurück. Nachdenken, taktieren, täuschen, und wozu das alles? Für einen abstrakten, sinnlosen Sieg? Nein, mein Lieber! Wofür mein Herz schlägt, hast du heute erfahren. Es war nicht die beste Jagd, die dieses Stück Land erlebt hat, aber bestimmt auch nicht die schlechteste. Hast du das Blut aus den Körpern schwitzen sehen? Hast du gespürt, wie sich die Luft verändert, wenn man abdrückt? Wie sie dichter wird, sich zusammenzieht, sich spannt, und wie … der Tod selbst für einen Augenblick die Bühne betritt, wie dich etwas zwingt, den Atem anzuhalten, ob du es willst oder nicht, wie er einem Schatten gleich über die Gesichter der Jäger fliegt? Zeig mir eine Schachpartie, bei der die Figuren echtes Blut vergießen, und ich verspreche dir, ich werde über den Reiz dieses königlichen Spiels nachdenken.“ Lorenz hatte sehr intensiv gesprochen und dabei seine Hand gedrückt, und Eugen fühlte sich keineswegs abgestoßen oder eingeschüchtert von der glühenden Rede, deren einziger Zeuge er geworden war. Im Gegenteil – er war beeindruckt von der machtvollen Poesie, die aus den Worten des Mannes geklungen hatte, und drückte umgekehrt seine Hand mit Leidenschaft. Eugen mochte noch nicht verstanden haben, welche Faszination in diesem rohen Sport des Jagens verborgen lag, aber er sprach auf die Bilder an, die der Freiherr in seinen Kopf malte; sie verselbständigten sich dort und entfachten ein Kaleidoskop an Inspirationen für zukünftige Gemälde.
    Eugen war erfüllt von einem neuen Gefühl der Gemeinsamkeit, die ihn mit diesem schwierigen Mann verband.
    Und er war tief erleichtert, dass Lorenz ihm das dumme Missverständnis, seine Gemahlin betreffend, offenbar nicht übelgenommen hatte.

8
    In dem Moment, in dem Lorenz aus dem Raum verschwand, fühlte er sich alleine. Katharina, die den Abend über nicht viel gelacht und kaum Konversation gemacht hatte, ging mit ihrem Gatten. Lediglich seine beiden Söhne blieben. Eugen konnte nicht sicher sein, denn er hatte sie nicht immer im Auge gehabt, aber Katharina schien den ganzen Abend lang kein Wort mit ihnen gewechselt zu haben. Offenbar lagen sie im Streit miteinander. Nur vorübergehend? Oder war es ein Dauerzustand?
    Er wusste sehr wenig über diese Familie, ihre Strukturen und Probleme. So wie er Lorenz einschätzte, würde er von ihm nicht mehr Informationen erhalten, als er schon hatte – und das war fast nichts. Katharina durfte er nicht fragen. Vorerst war es klüger, nicht zu oft alleine mit ihr zu reden. Lorenz schien ein empfindlicher Mann zu sein – und das gefiel ihm. Damit hob sich der Baron von all seinen Gästen ab.
    Obwohl Eugen die Anwesenheit des Freiherrn und seiner Frau vermisste, blieb er noch lange. Es wollte sich keine Müdigkeit bei ihm einstellen. Die vielen Menschen putschten ihn auf. Auch wenn er keinen Seelenverwandten fand und die Gespräche oberflächlich blieben, kostete er es aus, unter so vielen Leuten zu sein und immer wieder zum Mittelpunkt zu werden, ohne sich dafür anstrengen oder produzieren zu müssen. Die letzten Jahre über waren seine Abende einsam gewesen. Den einzigen Trost hatte er bei seinen Bildern gefunden. Er hatte einiges aufzuholen. Je weiter die Zeit voranschritt, desto direkter flirteten die Damen mit ihm, und als er nach Mitternacht seine Blicke von einer zur anderen wandern
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