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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück
Autoren: Arjan Visser
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wolltest mich eifersüchtig machen, hast aber bloß dein Leben aufs Spiel gesetzt. Vielleicht hast du es ja mit Absicht gemacht. Du wusstest, wo meine Sympathien lagen. Oder dachtest du etwa, sie sind ein Deckmantel für diese alberne Arbeit im Widerstand? Da, trink noch einen Schluck Fruchtsaft. Über Recht oder Unrecht habe ich mir keine Gedanken gemacht. Geld verdienen und am Leben bleiben, das war die Hauptsache.«
    »Lebst du noch?«
    »Was ist denn das für eine Frage? Du siehst mich doch?«
    »Ich stelle mir vor, dass ich dich sehe.«
    »Ach, Traum oder Wirklichkeit, ist das nicht egal? In diesem Fall läuft es aufs selbe hinaus.«
    »Bist du wirklich nach Israel gegangen?«
    »Haargenau. Ich habe erkannt, dass hier alles den Bach runtergehen würde. Noch bevor der Vorhang ganz gefallen war, war ich schon weg. Wo kann sich ein Jude besser verstecken als unter anderen Juden?«
    »Dreckskerl!«
    »Ganz wie du meinst. Ich hatte ein wunderbares Leben. Genügend Geld, Gesundheit – dreimal auf Holz klopfen – und war bei Leuten beliebt, die ich früher in die Flucht getrieben hatte. Ich habe sogar dieses Mädchen, Catharinas Enkelin, sagen hören, dass ihre Großmutter glaubt, ich hätte ihr geholfen! Tja, das hat dich ganz schön umgehauen was? Ach, was ist denn jetzt los, Jacobson? Tut dir etwas weh oder bist du traurig? Du ziehstauf einmal so ein hässliches Gesicht. Ich fand das ja einen guten Witz: Der Mann, der sie umbringen wollte, geht als ihr rettender Engel in die Geschichte ein. Langsam, aber sicher wurde ich zu dem frommen Juden, für den du dich seit Jahren hältst. Was hattest du eigentlich vor, Jacobson? Wolltest du es ihr erzählen? Hast du dich deswegen mit letzter Kraft ins Vaterland geschleppt? Wolltest du eine Belohnung für deine so genannte gute Tat bekommen, wolltest ein Dankeschön für den Ablassdiamanten einfordern? Steht das alles in dem Brief, den du ihr noch geben willst?«
    »Ich bin dir keine Erklärung schuldig.«
    »Darf ich an dieser Stelle unseren Freund Marc Aurel zitieren? ›Wenn du eine Wohltat erwiesen und ein anderer eine Wohltat empfangen hat, was suchst du, gleich den Toren, daneben noch ein drittes, nämlich den Ruhm eines Wohltäters oder Vergeltung dafür zu erhalten?‹«
    »Was für eine Chuzpe, dass gerade du das Buch des Kaisers auswendig gelernt hast!«
    »Aber dann müsstest du ihr doch auch erklären, warum du dich noch schuldig fühlst, oder? Meneer der Widerstandskämpfer. Meneer der Soldat. Du hast dich dein ganzes Leben lang im Untergrund versteckt.«
    »Ich …«
    »Ich will’s dir noch einmal ins Ohr flüstern: Der einzige echte Feigling in dieser ganzen Geschichte, das bist du. So ist das doch, Jacobson? Jacobson?«
    »Ich höre dich.«
    »Soll ich dir noch mehr durchs Hirn pusten?«
    »Nein, es reicht, Delmonte. Jetzt ist alles so einigermaßen zu Ende gedacht. Zieh Leine.«
    »Du hast dich wacker geschlagen, das muss ich ja zugeben.«
    »Du brauchst jetzt gar nichts mehr zu sagen. Ich bin nur froh, dass ich nicht so geworden bin wie du. Geh jetzt. Und falls du Nana irgendwo siehst, bitte sie, bei mir vorbeizukommen.«
    »War es das?«
    »Das war’s. Dich gibt es nicht mehr.«

54
    Mein Schlafanzug ist nass. Ich bin müde, erschöpft. Wovon? Ich tue doch gar nichts. Ich will nur schlafen. Vielleicht kann ich ja eine Tablette …
    »Meneer Jacobson.«
    »Dr. Steenstra. Sie kommen wie gerufen.« Ich erkläre ihm, was ich möchte.
    Steenstra nickt bloß, und als ich ihn frage, ob er auch dafür sorgen kann, dass Typen, die es wirklich gibt, zum Beispiel Meneer Kaptein, sich künftig nicht mehr in meiner Nähe aufhalten, schlägt er vor, dass ich aus dem Überwachungszimmer in eine mit zwei Betten umziehe.
    »In Ihrem Fall fände ich es sogar gut, wenn Sie eine Weile ganz allein liegen. Wäre Ihnen das recht?«
    »Sehr«, sage ich. Unnötig zu fragen, warum er von dieser Idee so angetan ist oder was er mit meinem Fall meint. Diese Frage habe ich Delmonte bereits beantworten lassen.
    »Dr. Steenstra?«
    »Ja, Meneer Jacobson?«
    »Wenn es so weit ist, ist es so weit.«
    »Wir tun, was wir können.«
    »Bei allem Respekt, aber das dürfte keinen allzu großen Unterschied machen. Ich schätze Ihre Unterstützung sehr, das sollen Sie wissen, aber auch, dass weder Ihr Engagement noch dieseTumore in meinem Kopf etwas an der Situation ändern. Schreiben Sie dann ruhig hin, dass ich an Altersschwäche gestorben bin.«
    Der Arzt lächelt. »Ich kümmere mich
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