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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition)
Autoren: Monika Feth
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zu schnurren.
    Die Schwestern hatten ihn vor Jahren in ihr Haus aufgenommen. Damals, so erzählten sie, war er ein schlimmer Haudegen gewesen, ein Streuner, der sich von Abfällen ernährt und einen völlig verwahrlosten Eindruck gemacht hatte.
    Schauen Sie sich sein Fell an«, sagte Hortense mit liebevollem Stolz. » Es strotzt nur so vor Gesundheit. Als er zu uns gekommen ist, war es verfilzt und ohne Glanz, und an manchen Stellen konnte man die nackte Haut erkennen.«
    Sie nannten ihn Dottore, hatten jedoch mittlerweile vergessen, warum.
    Der Kater ließ sich zu Merles Füßen nieder und schloss die Augen.
    » Er mag Sie«, stellte Hortense mit einem leisen Unterton von Neid in ihrer Stimme fest.
    » Ich mag Merle auch«, sagte Emilia.
    » Aber du legst dich ihr nicht zu Füßen«, konterte Hortense.
    Die Unterhaltungen zwischen den Schwestern kippten häufig ins Absurde. Dann begriff Merle überhaupt nicht mehr, worum es eigentlich ging. Den alten Damen schien es egal zu sein. Sie machten einfach immer weiter, solange man sie nicht stoppte.
    » Wir dachten, wir veranstalten im Heim dieses Jahr wieder ein Osterfest«, versuchte Merle es und hatte sofort ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. » Ein bisschen größer diesmal. Vielleicht können wir ein paar Künstler gewinnen, die ihre Werke bei uns ausstellen. Bilder, Fotografien, Arbeiten aus Ton, kleine Skulpturen oder Seidenmalerei. Und vielleicht können wir einen Workshop anbieten. Manche Goldschmiede beispielsweise bieten Kurse an, in denen man selbst ein Schmuckstück herstellen kann.«
    » Sie sprechen von Hobbykünstlern?«, erkundigte sich Hortense.
    » Nicht unbedingt.« Merle sah Hortense und Emilia bittend an. » Wo Sie doch an der Quelle sitzen und so viele Künstler kennen, gelingt es Ihnen möglicherweise, den einen oder anderen Profi zu überzeugen, für eine gute Sache mitzumachen.«
    Emilia schmunzelte. Es sah aus, als ließe sie sich die Sache bereits durch den Kopf gehen.
    » Wir wollen schon jetzt mit der Planung anfangen, damit nicht am Ende wieder alles auf den letzten Drücker passieren muss«, erklärte Merle. » Wie finden Sie die Idee?«
    » Sehr ansprechend«, murmelte Hortense, in deren Kopf es ebenfalls arbeitete. » Das könnte dem Tierheim tatsächlich Aufmerksamkeit verschaffen. Und es wäre einmal etwas anderes als der ewige Flohmarkt, der enorm viel Aufwand fordert und dann so wenig abwirft.«
    » Mike würde gern einige restaurierte Möbelstücke ausstellen«, sagte Merle. » Darunter sind ein paar echt schöne Kostbarkeiten. Einen Teil des Erlöses würde er für das Heim spenden.«
    » Er ist ein Schatz«, sagte Emilia, die Mike ins Herz geschlossen hatte.
    Hortense verdrehte die Augen. » Du kennst den jungen Mann doch kaum.«
    » Ich kenne ihn durch Merles Erzählungen.«
    » Und das reicht aus, um ihn einen Schatz zu nennen?«
    » Für dich vielleicht nicht«, wehrte sich Emilia. » Aber du bist nicht der Maßstab aller Dinge, meine Liebe.«
    Nicht zum ersten Mal fragte Merle sich, warum die Schwestern sich nicht aus dem Weg gingen. Sie hatten ihr ganzes Leben miteinander verbracht, von Geburt an, und immer hatten sie in diesem Haus gelebt. Keine von beiden hatte je geheiratet oder Kinder bekommen.
    Sie waren so sehr aufeinander eingespielt, das sie aus reiner Langeweile beim geringsten Anlass zu streiten begannen.
    Dabei konnten sie es so viel besser haben. Sie besaßen ein riesiges Haus, das bestimmt leicht in zwei voneinander unabhängige Wohneinheiten aufteilbar war.
    Dottore, der ein feines Gespür für drohendes Unheil besaß, rappelte sich widerwillig auf und trottete leise protestierend davon.
    » Da siehst du’s«, beschwerte sich Emilia. » Jetzt hast du ihn vergrault!«
    » Lächerlich! Du hast ihn mit deiner aggressiven Stimme in Angst und Schrecken versetzt.«
    Emilia stand auf und warf ihre Serviette auf den Tisch. Der Zorn machte ihr Kinn spitz und weiß.
    » Geh doch«, spottete Hortense. » Verkriech dich in deinem Zimmer und träum dir die Welt rosarot. Darin bist du doch unübertroffen.«
    Zwei Tränen rollten über Emilias knittrige Wangen.
    Hortense beugte sich vor und lud sich ein mächtiges Stück Kuchen auf ihren Teller. Während Emilia immer noch an ihrem Platz stand und auf sie hinabsah, zitternd vor unterdrückter Wut, fing sie gleichmütig an zu essen.
    » Oh, schon so spät!« Merle schob den Ärmel ihres Pullis wieder über die Uhr an ihrem Handgelenk. » Ich muss los. Frau Donkas hat heute eine
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