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Der Bilderwächter (German Edition)

Der Bilderwächter (German Edition)

Titel: Der Bilderwächter (German Edition)
Autoren: Monika Feth
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Pflichtbesuche bei den Ritters an Merle delegieren zu können. Sie kam mit den alten Damen nicht zurecht, und das hatte die Spendierfreudigkeit der Schwestern mit der Zeit empfindlich beeinträchtigt. Selbst der gewohnte Scheck zu Weihnachten war im letzten Jahr ausgeblieben, was dazu geführt hatte, dass die Hundezwinger, die zum Teil schon baufällig waren, nicht renoviert werden konnten.
    Das Albert-Schweitzer-Tierheim finanzierte sich über eine Stiftung, die Emilia und Hortense Ritter, beide leidenschaftliche Tierschützerinnen, vor langer Zeit ins Leben gerufen hatten. Diese Tatsache erlaubte Frau Donkas gewisse Freiheiten, um die Kollegen anderer Einrichtungen sie glühend beneideten.
    Die meisten Tierheime arbeiteten beinah ausschließlich mit ehrenamtlichen Kräften. Dass Merle fest eingestellt werden konnte, war einzig und allein der Großzügigkeit der Ritterschen Zuwendungen zu verdanken.
    Dafür jedoch verlangten die alten Damen Rechenschaft über alles und jedes, und so hatte sich der wöchentliche Besuch ergeben. Eine Verpflichtung, die Frau Donkas aus vollem Herzen verabscheut, Merle jedoch ohne Zögern übernommen hatte.
    Sie mochte Emilia und Hortense und unterhielt sich gern mit ihnen. Gut, sie waren ein wenig sonderlich und hatten ihre Schrullen, doch wer hatte die nicht?
    » Kommen Sie, Kind. Kommen Sie«, sagte Emilia und tippelte eilig voran.
    In dem überladenen, aufgeheizten Wohnzimmer saß Hortense Ritter am altmodischen Nussbaumklavier, ohne zu spielen. Als sie Schritte hörte, erhob sie sich von dem lederbezogenen Klavierstuhl und drehte sich um.
    » Merle!« Auch über ihr Gesicht huschte ein Ausdruck von Freude. » Sie trinken doch ein Tässchen Tee mit uns?«
    Teatime, dachte Merle. Na dann.
    Der runde Couchtisch war, wie jedes Mal, bereits gedeckt. Altes Meißner Porzellan mit Blumendekor. Silberne Kaffeelöffel und Kuchengabeln mit Familienmonogramm. Brombeerfarbene Servietten, hauchdünn, fast durchsichtig. Als könnte der geringste Lufthauch sie durch die Luft wirbeln.
    In einer bauchigen Vase leuchteten kleine gelbe Chrysanthemen.
    Wie Sonnen, dachte Merle, die den Sommer vermisste und sein Licht.
    Emilia zündete die Kerze an und überzeugte sich, dass das Teelicht im Stövchen brannte.
    Der Tee in der Kanne duftete nach Weihnachten, ebenso wie der Schokoladenkuchen, der Merle das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
    » Nehmen Sie doch bitte Platz.«
    Eigentlich widerstrebte es Merle, sich von den alten Damen bedienen zu lassen, doch sie hatte begriffen, dass es ihnen Freude machte, sie zu bewirten. Sie bekamen nicht mehr viel Besuch und verließen das Haus nur noch selten.
    » Möchten Sie ein wenig Musik hören?«, erkundigte sich Hortense.
    » Nein«, antwortete Emilia, bevor Merle den Mund aufmachen konnte. » Deine Musik stört.«
    » Musik stört ein Gespräch nicht«, widersprach Hortense. » Sie untermalt es höchstens.«
    » Bitte, Hortense!«
    » Danke, Emilia«, äffte Hortense ihre Schwester nach.
    » Dieser Kuchen sieht zum Anbeißen aus«, unterbrach Merle den Schlagabtausch der beiden. Sie strahlte erst Emilia an, dann Hortense. Oft half ein Lächeln, um die Streithennen zu besänftigen.
    » Ich habe ihn selbst gebacken«, verriet Emilia mit leisem Stolz.
    Das war in der Tat ungewöhnlich, denn es gab in diesem Haus zwei Angestellte, die sämtliche Arbeiten erledigten. Ein Ehepaar um die fünfzig. Die Frau versorgte den Haushalt, ihr Mann kümmerte sich um das Anwesen.
    » Und Frau Morgenroth musste anschließend die ganze Küche wischen«, wies Hortense ihre Schwester zurecht.
    Emilia ignorierte den Einwurf. Sie schnitt den Kuchen an und legte Merle ein dickes Stück auf den Teller.
    » Mir nicht.« Hortense hielt abwehrend die Hand über ihren eigenen Teller. » Du weißt ja – mein Magen.«
    Emilia nahm sich ebenfalls ein Stück und schenkte Tee ein, der goldgelb und dampfend in die Tassen floss. Dann setzte sie sich und beobachtete lächelnd, wie Merle den ersten Bissen aß.
    Merle schloss die Augen. Sie liebte Schokolade in jeder Form.
    » Göttlich«, murmelte sie und fragte sich, wie Frau Donkas nur auf das hier verzichten konnte.
    Sie spürte eine leichte Bewegung an ihrem Bein und beugte sich zu dem roten Kater hinunter, der seinen runden Kopf in ihre Hand schmiegte. Er schien alt wie die Welt. Seine klugen Augen hatten viel gesehen und seine Ohren waren von zahllosen Kämpfen zerfetzt.
    » Hallo, mein Freund«, sagte Merle zärtlich, und der Kater begann
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