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Der Bestseller

Der Bestseller

Titel: Der Bestseller
Autoren: Robert Carter
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jede Frau anders ist als alle anderen. Kierkegaard hat geschrieben: >Der Vergleich ist die Wurzel allen Unglücks.<«
    Die Antwort schien sie zu befriedigen. Ich habe oft darüber nachgedacht, daß es der »Unterschied« zwischen einer Frau und einer anderen ist, der es manchen Männern so schwermacht, sexuell treu — oder, wenn man so will, monogam — zu sein. Im Unterschied liegt die Attraktivität. Wenn alle Frauen gleich aussehen und dieselbe langweilige Kleidung tragen würden (wie es die Frauen in China taten, als sie in diesen reizlosen blauen Jacken und Hosen herumlaufen mußten), wäre es leicht, einer einzigen Frau ein Leben lang treu zu bleiben!
    Trotzdem bemüht man sich — besonders wenn diese Frau Margo Richmond ist.

28

    A uf das nächste Wochenende fiel auch der 4. Juli, der wie immer eine Menge Pomp und Zeremonien mit sich brachte: Paraden, patriotische Reden, große Feuerwerke und was sonst noch dazugehört, und das alles war in Connecticut so unvermeidlich wie überall in Amerika. Dieses ganze Brimborium ist sicher nicht aufregend genug, um von den Flecken auf unserer nationalen Weste ablenken zu können — aber es ist relativ harmlos und bringt in vielen sonst reifen, gesetzten Männern den kleinen Jungen zum Vorschein.
    Margo, Herbert Poole, Joe Scanlon und ich ließen uns von Oscar im Mercedes nach Weston fahren. Wir sprachen nicht viel — wahrscheinlich machte uns das Wetter zu schaffen. Am Samstagmittag hatte das Thermometer 38° angezeigt, und die Luftfeuchtigkeit war hoch genug, um die ganze Region in einen ausgedehnten tropischen Regenwald zu verwandeln. Den größten Teil der Fahrt lehnten wir uns in klimatisierter Behaglichkeit zurück und hörten Mozart, und zwar das Klavierkonzert Nr. 2 6 (»Krönungskonzert«) sowie das Rondo für Klavier und Orchester in D-Dur, beides gespielt von Murray Perahia und dem English Chamber Orchestra. Niemand beschwerte sich darüber, nur Scanlon war anfangs ein wenig unruhig. Doch auch er erlag schließlich Mozarts himmlischem Genie und nickte im Takt wie wir anderen. Danach sagte er, das Rondo habe ihn an den Film Bluff Poker erinnert.
    »Das wundert mich nicht, Joe«, sagte ich. »Das war die Filmmusik.«
    Als wir im Haus an der Kellogg Hill Road eintrafen, war meine Mutter im Wintergarten damit beschäftigt, ihre Pflanzen zu gießen. Sie zog die Arbeitshandschuhe und den verbeulten Strohhut aus, den sie bei der Gartenarbeit immer trug, und strich einige Strähnen ihres leicht bläulichen Haars zurecht. Sie freute sich sehr, Margo zu sehen. Das hatte ich gewußt; Margo war ihr besonderer Liebling.
    »Wie schön, euch beide wieder zusammen zu sehen«, sagte sie und umarmte uns in Gestik und mit Worten. Scanlon und Poole gegenüber war sie ganz die grande dame: imposant und huldvoll, mit einer Spur Koketterie für Scanlon (»Lieutenant, ich habe Nicholas schon so oft gebeten, Sie doch einmal zu uns aufs Land mitzubringen.« Das stimmte zwar nicht ganz, aber ich hatte nicht vor, ihr zu widersprechen.) und angemessener Hochachtung für Poole, der immerhin ein Bestsellerautor war. Heute ebenso wie damals, als meine Mutter eine aktive Rolle im Verlag spielte, betrachtet sie Autoren als privilegierte Wesen.
    Ich weiß noch, wie gern sie mit meinem Vater, Tim und mir ein Kartenspiel namens »Autoren« spielte. Es war das einzige Kartenspiel, zu dem mein Vater sich überreden ließ. Für ihn war Bridge ein Spiel für Müßiggänger und Poker ein Zeitvertreib für leichtfertige Menschen, aber »Autoren« gefiel ihm. Ich kann mich erinnern, mit welchem Gusto er und meine Mutter die schnurrbärtigen Schriftsteller Robert Louis Stevenson und Nathaniel Hawthorne und ihre jeweils vier Bücher ablegten. Und dann waren da Dickens mit seinem Backenbart und Thackeray mit seiner winzigen runden Brille und natürlich James Fenimore Cooper und Washington Irving und als Alibi-Autorin die Schriftstellerin Louisa May Alcott. All die alten Meister, die kein Mensch mehr liest, es sei denn, ein Lehrer zwingt ihn dazu. Wenn man dieses Spiel für die neunziger Jahre aktualisieren wollte, müßte man nach Rockstars, Serienmördern, wenig bedeutenden Politikerinnen und Politikern, gewissen nie angeklagten Mitverschwörern und gealterten Filmstars fragen. Für meine Mutter jedoch war Herbert Poole ein strahlender Held.
    »Wie sollen wir bei diesem Detektivspiel Vorgehen?« fragte Margo, als wir uns im Wohnzimmer gesetzt hatten. Keiner von uns hatte den Zweck dieses
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