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Der beschriebene Taennling

Der beschriebene Taennling

Titel: Der beschriebene Taennling
Autoren: Adalbert Stifter
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Haare von den Eltern straff zurük gekämmt worden, und es war Puder auf dieselben gestreut, damit sie schön wären, und in der festlich weißen Farbe da stünden. Nur Hanna's Haare waren dunkel geblieben, weil ihre Mutter keinen Puder zu kaufen vermochte. An die Hüften des Unterkleides hatte sie ihr zwei kleine feste längliche Puffchen angenäht, daß das darüber angelegte Rökchen doch ein wenig wegstehe, und einen Reifrok mache, wie er von den andern so schön wegragte, gleichsam ein faltenreiches sanft hinab gebogenes Rädchen. Als die Kinder in den Pfarrhof hinein gegangen waren, begab sich die Mutter wieder nach Pichlern zurük. Da die Beichte aus war, ging Hanna auf dem ebenen Feldwege nach Hause. Nach dem Essen ging sie abermals nach Oberplan, und ging mit einer Schaar von Mädchen, bei denen auch keine Eltern waren, auf den Berg. Die Kinder gingen zuerst in das Kirchlein zum Gebete, wo sie in den sonnenhellen Bänken kaum mit den Häuptern hervorragten. Dann gingen sie auf den höheren Theil des Berges empor und suchten Veilchen; denn der Berg war bekannt, daß auf ihm die ersten dieser Blümchen wachsen, weil sie in dem kurzen Grase unter dem schüzenden Geflechte des Wachholders einen sichern Stand haben, und die mittägliche Sonne auf dem Abhange des Berges leicht auf sie scheinen kann. Dann suchten sie auch Steinchen und andere Dinge, und kamen bis zu dem rothen Kreuze empor. Von dem Kreuze gingen sie zu den Brunnenhäuschen hinab. Sie schöpften sich Wasser, und benezten sich die Lippen, die Stirne und die Augenlieder. Als der Abend erschienen war, gingen manche, bei denen sich ihre Eltern befanden, nach Hause; andere aber, die allein waren, blieben noch; denn die Kinder haben keine Rechnung der Zeit und geben sich dem Augenblike unbedingt hin. Einige Mädchen, worunter auch Hanna war, gingen gar gegen die Felsen der Milchbäuerin zu, und sezten sich dort auf die Steine. Es hatte den ganzen Tag die Sonne auf die Felsen geschienen, daß sich die Wärme in ihnen ansammeln und länger nachhalten konnte, als an irgend einer andern Stelle des Berges. Die Pflänzchen schauten aus den bebauten Pflanzbeeten am Fuße der Felsen schon heraus, über der Gegend war ein leichter grüner Hauch, und die Kinder erkannten recht gut diese Verheißung. Sie blieben sizen, manches der Mädchen nahm die Hand seiner Nachbarin, legte sie an den Stein und sagte: »Siehe nur, wie warm er ist.«
    Als die Sonne schon hinter dem Rande des Waldes hinab gegangen war, fragte eines der Mädchen ein anderes: »Um was hast du denn heute die heilige Jungfrau gebeten, Elisabeth?«
    »Ich habe sie um ein langes Leben und um eine gute Aufführung gebeten,« antwortete die Gefragte.
    »Und um was hast denn du gebeten, Veronika?«
    »Ich habe auch um einen guten Lebenswandel gebeten,« sagte diese.
    »Und du, Agnes?«
    »Ich habe um gar nichts gebeten.«
    »Und du, Cäcilia?«
    »Ich auch nicht, mir ist nichts eingefallen.«
    »Und du, Hanna?«
    »Ich werde etwas sehr Schönes und sehr Ausgezeichnetes bekommen,« sagte diese, »denn als ich zu der heiligen Jungfrau recht inbrünstig betete, und das feste seidene Kleid sah, das sie anhat, und die goldenen Flimmer, die an feinen Fäden am Saume des Kleides hängen, und die grünen Stängel, die darauf gewebt sind, und die silbernen Blumen, die an den grünen Stängeln sind, und da ich den großen Blumenstrauß von Silber und Seide sah, den die Jungfrau in der Hand hat, und von dem die breiten weißen Bänder nieder gehen: da erblikte ich, wie sie mich ansah, und auf die goldenen Flimmer, auf die Blätter, auf die Stängel und auf die Bänder nieder wies.«
    »Geh', du bist nicht recht vernünftig,« sagte eines der Mädchen.
    »Ich bin doch vernünftig, und werde die Sachen bekommen,« antwortete Hanna.
    Die Kinder fing es an zu schauern, und da die Dämmerung auch schon sehr stark herein zu brechen begann, gingen sie allmählich nach Hause. Einige gingen um die Wölbung des Berges herum nach Oberplan; aber Hanna ging über den Berg nach Pichlern. Sie ging an den grauen kaum mehr recht sichtbaren Steinen vorbei, an den schwarzen Wachholderstauden, an den dunkeln Föhrenstämmen, und kam in das weiße Häuschen, als auf der Leuchte schon das helle Feuer brannte, und ihr ihre Mutter daran eine Suppe kochte.
    Von dieser Zeit an wuchs Hanna heran, und entwikelte sich immer mehr und mehr.
    Sie ging noch in die Schule, sie ging immer allein, und wenn sie zum Lesen aufgerufen wurde, stand sie
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