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Der beschriebene Taennling

Der beschriebene Taennling

Titel: Der beschriebene Taennling
Autoren: Adalbert Stifter
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minder schief war, und wieder fast sich ebenem Lande gleich gestaltete, that sich eine längliche Waldwiese auf, auf der neben einem grauen Steinhaufen ein Schoppen stand, in den man im Sommer das Heu thut, um es im Winter auf dem gefrornen Hochschnee mit Handschlitten nach Hause zu bringen. Hanns stand vor dem Schoppen, und sah eine Weile in das Heu hinein. Dann sah er mit der Hand über den Augen nach dem Stande der Sonne. Diese blikte nur mehr durch die niederen vergoldeten Tannenzweige herein. Dann ging er wieder weiter. Er ging jezt durch dichten dunkelnden Wald. Er ging an starken Stämmen vorüber, die die rauhe Rinde hatten, und von deren verdorrten Aesten die grünen Bärte des Mooses herunter hingen. Er ging an großen Steinen vorüber, die mit einer weichen Hülle bedekt waren, auf der zarte Fäden und feuchte Blättchen wuchsen. Er ging auf dem modrigen Boden, der die tausendjährigen Abfälle der Bäume enthielt, und dem Tritte keinen Widerstand leistete. Er ging auf keinem Wege, weil er die Gestalt und Richtungen des Waldes auch ohne Weg sehr gut kannte. - Endlich war er an seinem Ziele. Ein sehr hoher Baum stand unter den andern ebenfalls hohen und alten Bäumen des Waldes. Hanns lehnte die Axt an den Stamm und sah den Baum an. In seiner Rinde waren die Zeichen der Liebe eingegraben: ein Herz mit Flammen, die durch auseinander gehende Striche angedeutet waren, ein Ring, der zwei Namen umfaßte, ein Kreuz, das aus Keilen empor ragte, der Name Maria's, der aus verschlungenen Buchstaben zusammengesezt war, dann andere Namen, in zwei Buchstaben bestehend, oft verziert mit einem Kränzlein oder dergleichen, oft ohne Verzierung, zuweilen frisch, so wie die Besizer noch in Jugend unter den Lebenden wandeln, zuweilen vernarbt und unkenntlich, so wie die Liebenden schon durch Alter eingebükt, oder im Grabe bereits zerfallen sind. Der Baum stand sehr hoch in die Abendluft empor, und zeichnete seine Zaken, weil er eine Tanne war, in dieselbe. Die wagrechten Aeste ruhten wie die ausgebreiteten Fittige eines Vogels in der Luft. An dem Fuße des Stammes lagen einige Steine, als wären sie zum Sizen und Ausruhen her gelegt worden. Auch ging ein schwaches Waldweglein an dem Baume vorbei, auf dem aber Hanns nicht gekommen war.
    Nachdem Hanns den Baum so betrachtet hatte, nachdem er eine Weile so gestanden war, knöpfte er sich den Rok bis an's Kinn zu und sezte sich auf die Steine, die an dem Fuße des Stammes lagen. Es war der Abend schon sehr stark herein gebrochen, und Hanns sah mit seinen Augen in das Dunkel und in die Dämmerung. Die Baumgitter, die emporwachsenden und nun verdorrten Kräuter und der Boden waren nicht mehr zu unterscheiden, nur daß ein feuchter Punkt oder ein schwaches Wässerlein noch zeitweilig blizte. Aber endlich hörte auch dieses auf, und es war nur eine einzige Finsterniß, in der Alles still war.
    Hanns saß mit dem Rüken an dem Stamme und schlummerte.
    Da kam in der Nacht eine seltsame Erscheinung. Um den Baum wurde es immer lichter und lichter, so daß seine Zaken deutlich in der Helle standen und erkennbar waren. Der Baum war so hoch, daß er bis in den Himmel reichte, und bis in den Himmel reichte die Helle um seine Zaken. In den Zweigen hoch im Himmel stand das Bildniß der heiligen Jungfrau, wie es im Kirchlein zum guten Wasser ist, und doch war sein Antliz und seine Züge recht deutlich zu erkennen. Auf dem Haupte war die Krone, aus der Brust standen die sieben Schwerter und in dem Schooße ruhte der gekreuzigte Sohn. Das Bild hatte den Blumenstrauß in der Hand, von dem die Bänder nieder gehen, es hatte das starre seidene Kleid an mit den Flimmern, mit den gestikten Blumen und den gewundenen Stängeln. Das Antliz aber sah strenge, unerbittlich strenge auf Hanns hernieder. Es sah unverwandt und ernst auf ihn nieder. Da ermannte sich Hanns, er erwachte, er wandte das Haupt aufwärts und sah in den Baum. Der Baum war wieder so klein geworden wie sonst, die heilige Jungfrau stand nicht mehr in den Zweigen, aber ein großes Stük Mond, das, indessen Hanns geschlafen hatte, aufgegangen und über den Wald herüber gerükt war, stand fast gerade über den Baum, daß seine Zweige glänzten, daß zwischen ihnen lange Lichtstreifen wie silberne Bänder auf Hanns nieder gingen, und daß die Dinge des Waldes in einem zweifelhaften aber doch erkennbaren Lichte da standen. Hanns erhob sich von seinem Size, trat ein wenig seitwärts, und sah wieder auf den Baum. Aber es war immer das
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