Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der beschriebene Taennling

Der beschriebene Taennling

Titel: Der beschriebene Taennling
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
dem sich Tische und Stühle befanden, und er sah noch ganz Oben rings herum einen Bau, wie eine zierliche Bühne, auf der man sizen und nach abwärts schauen konnte. Ueberall gab es Menschen. An den Säulen und Brettern waren schon die Nägel und Latten, an denen man die Lampen, die Tuchverzierungen und Blumen befestigen würde.
    Hanns fragte einen Mann, an dem er dicht gedrängt stand, was es gäbe.
    »Es werden die Treiber, die Heger, die Jäger und alles Andere verlesen, was morgen bei der Treibjagd im Langwalde statt haben solle,« antwortete der Mann.
    Wirklich sah Hanns mehrere Herren an einem Tische mit Papieren beschäftigt, er sah, wie sie sprachen, und an manche Bewohner der Gegend Zettel vertheilten.
    Oben auf der zierlichen Bühne sah er nebst vielen andern Menschen auch Hanna sizen. Sie saß neben dem wunderschönen Guido, hatte ihre weiche Hand in seine beiden gelegt, und so sahen sie in den Saal hinab.
    Jezt trat ein Herr von dem Tische weg und rief: »Nun wollen wir die Schüzen verlesen, auf welchen Ständen sie sich morgen vor Tagesanbruch einfinden sollen, und auf welchen Jeder, ehe die Sonne aufgeht, gerüstet dastehen muß.«
    Es ward in dem Saale etwas stiller, und der Herr las mit lauter Stimme aus einem Papiere vor: »Herr Andreas bei der rothen Lake.«
    »Weiß sie nicht.«
    »Gidi wird dich führen.«
    »Herr Gunibald in der Kreixe.«
    »Weiß sie.«
    »Herr Friedrich von Eschberg am gebrannten Steine.«
    »Weiß ihn nicht.«
    »Der Schmied Feirer wird euch begleiten.«
    »Herr Guido beim beschriebenen Tännling.«
    »Weiß ihn.«
    »Herr Albrecht Hammermann im Fuchslug.«
    »Weiß es.«
    »Herr Thorngar am Brunnkreß - Herr Wenhard am Obergehag - Herr Emerich im Auwörth.«
    »Wissen es.«
    Und so ging es fort, bis sämmtliche Herren und Schüzen herab gelesen waren. Da dies das Lezte war, was verkündet werden mußte, so gingen die meisten Herren und mit ihnen auch andere Leute von dem Holzgebäude fort. Hanna und Guido erhoben sich und verschwanden hinter dem Volke. Hanns drängte sich durch die Leute, die an der äußeren Treppe waren, um die Stelle zu gewinnen, an der Hanna aus dem Gebäude kommen mußte. Als er dahin gelangte, sah er, daß sie bereits in einem leichten schönen Wagen saß, daß Guido bei ihr saß, daß sich ein prächtig gekleideter Diener hinten hinauf schwang, und daß der Wagen fort rollte. Er rollte an den nächsten Häusern, wo man einen Weg über die Wiesen gemacht hatte, herum, und schlug die Straße nach Vorderstift ein.
    Hanns wendete sich um und ging nach Pichlern. Er hatte dort bei seiner Schwester einen Schrein, in welchem er seine Arbeitsgeräthe, die er eben nicht auf dem Holzplaze brauchte, aufbewahrt hatte. Er öffnete die Thür des Schreines, und sah auf die Dinge, die da in angebrachten Querhölzern in Einschnitten stekten. Er nahm zuerst einen Bohrer heraus und stekte ihn wieder hin, dann nahm er ein Sägeblatt, besah es und stekte es wieder in die Rinne. Dann nahm er eine Axt, wie er sie gerne anwendete, wenn er keilförmige Einschnitte in die Bäume auszuschrotten hatte. Diese Aexte haben gerne einen langen Stiel, sie selber sind schmal und von scharfer Schneide. Diese Axt nahm er heraus und that die Thür des Schreines wieder zu. Dann ging er in die Schwarzmühle, wo sie hinter dem Gebäude der Brettersäge unter einem Ueberdache einen Schleifstein haben, den man mittelst eines Wässerleins, das man auf sein Rad leitete, in Bewegung sezen konnte. Hanns rükte das Brett, das das Wasser dämmte, sezte den Stein in Bewegung und schliff seine Axt. Als er damit fertig war, lenkte er das Wasser wieder ab, stillte den Stein, nahm die Axt auf seine Schulter, wie er sie gerne hatte, wenn er sich nach dem Thußwalde begab, und ging davon. Er ging hinter dem Dorfe durch die Gärten des Weißkohles gegen den Brunnberg zu.
    Das Töchterlein eines armen Weibes, das man die Sittibwitwe nannte, sah ihn dort gehen und sagte: »Mutter, da geht Hanns.«
    »Laß ihn gehen,« sagte diese, »das ist eine sehr unglükselige Geschichte.«
    Hanns stieg über die sehr niedere Mauer, die um die Kohlgärten aus losen Steinen gelegt war, und ging durch die verkrüppelten Erlenstauden und durch die Wachholdergebüsche empor, durch welche Hanna an ihrem ersten Beichttage in der Dämmerung hernieder gegangen war. Er ging an der Milchbäuerin vorüber und begab sich zu den zwei Brunnenhäuschen. Dort lehnte er die Axt an den Stamm der Linde, kniete vor der Thür des einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher