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Der beschriebene Taennling

Der beschriebene Taennling

Titel: Der beschriebene Taennling
Autoren: Adalbert Stifter
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wie ihr Weg in ihre Heimath von dem allgemein eingeschlagenen Wege abführte, und nicht selten geschah es, daß, wenn die untergehende Sonne glutig am Rande der Seewand lag, und jeder emporragende Zaunpfahl, ja eine herausstehende Aehre einen langen Schattenstreifen über das Getreide warf, Hanns allein durch die Perneker Felder ging, und den Weg hinab gegen Pichlern einschlug. Er ging auf dem Fahrwege hinab, er bog um die große Linde des Schwarzmüllers, zielte gegen die ferneren dünnen Föhrenstämme, und schritt auf das weiße Häuschen zu.
    Wenn er dort anlangte, war meistens die Mutter, wie sie es am Abende gewohnt war, Außen herum. Sie schlichtete etwas an dem Holze, oder that sonst etwas, oder betete, indem sie herum ging, und häufig zur Ziege redete, die sie nicht eher in den Stall that, als bis sie selber in die Stube ging. Im Innern saß Hanna in einem reinen schimmernden Gewande. Sie hatte vorher jedes Stäubchen von dem Tische, der Bank, dem Stuhle und dem Fußboden gefegt; denn auch das gehörte mit zu ihren Eigenthümlichkeiten, daß sie außerordentlich reinlich war. Sie wollte nicht mit der Hand und nicht mit dem Gewande an Staub rühren.
    »Die wird Gott strafen, daß sie so stolz ist,« sagten oft die Leute, »und ihn dazu, daß er so verblendet ist, und ihr Alles anhängt. «
    Hanns ging hinein, Hanna sprang auf und grüßte ihn. Er blieb bis spät Abends, sie plauderten, koseten, aßen; die Mutter war bei ihnen, sprach mit, aß, oder nikte schlummernd ein wenig mit dem Kopfe, wie es eben kam.
    Erst im Sternenscheine ging Hanns fort, und begab sich zu den Leuten, wo seine Schwester war, und wo er eine Lagerstätte hatte; denn sein Vater und seine Mutter waren längstens gestorben.
    Daß Hanns aber an Hanna etwas verwendete, schien ihm gar nicht leid zu thun. Wenn er mit ihr bei einem Tanze oder bei sonst einer Gelegenheit war, wo sie Viele sehen konnten, und wenn nun der eine oder andere junge Mann mit seinen Augen schier nicht von ihr lassen konnte, und stundenlang sie mit denselben gleichsam verschlang, so hatte Hanns seine außerordentliche Freude darüber und triumphirte. Wenn sie spät mit einander nach Hause gingen, wo die einsame Wachholderstaude stand, oder der graue verschwiegene Stein des Brunnberges lag, da schlang sie ihren Arm um seinen Naken, drükte ihn heiß an sich, sah ihn an und flüsterte gute Worte. Daß da eine außerordentliche unheimliche Seligkeit in ihm war, bewies der Umstand, daß er ihr von seinen Habseligkeiten Alles, Alles gab.
    Am andern Tage, wenn er so einen Feiertag bei ihr zugebracht hatte, sah man ihn dann wieder in frischen Linnenkleidern, die Axt oder die Keile auf der Schulter tragend, durch die Felder schreiten und seinem Walde zueilen.
    Einmal fragte ihn Hanna, um was er denn am ersten Beichttage die heilige Jungfrau Maria gebeten habe.
    »Ich habe um nichts gebeten,« antwortete er, »du weißt ja, daß ich nicht oft zu ihr in ihr Kirchlein hinauf komme, weil ich nicht Zeit habe; aber von ferne und von dem Walde aus, wo er eine Lüke hat, sehe ich das weiße Kirchlein sehr gerne, weil von ihm nach abwärts die Wachholderstauden anfangen, dann die Föhren der Pichlerner Weide stehen, und noch weiter unten das Häuschen ist, in dem du bist.«
    »Du solltest aber doch gebeten haben,« sagte Hanna; »denn sie ist sehr wunderthätig und stark, und was man am ersten Beichttage mit Inbrunst und Andacht verlangt, das muß in Erfüllung gehen, es geschehe auch, was da wolle.«
    »Das habe ich ja gar nicht gewußt,« sagte Hanns, »es hat es mir damals Niemand gesagt, und wenn ich es auch gewußt hätte, so hätte ich sie doch gewiß um nichts gebeten, weil mir nichts gefehlt hat. - Meinst du denn im Ernste, daß sie etwas thun kann, um was man sie recht bittet?«
    »Freilich kann sie es thun,« antwortete Hanna, »weil sie sehr mächtig ist, und sie thut es auch, weil sie sehr gut ist.«
    »Aber am ersten Beichttage muß man sie darum bitten?« fragte Hanns.
    »Um was man sie am ersten Beichttage bittet,« sagte Hanna, »das thut sie immer und jedes Mal; aber auch an jedem andern Tage kann man sie bitten, und sie kann die Bitte gewähren, weil ihre Macht außerordentlich ist.«
    »Aber das ist ja kaum denklich,« erwiederte Hanns, »weil sonst alle Leute daher kämen, und um die verwirrtesten und verkehrtesten Dinge bäten.«
    »Wenn sie um verwirrte und verkehrte Dinge bitten,« sagte Hanna, »so läßt sie diese nicht in Erfüllung gehen; aber bitten muß man
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