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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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»Hast du schon gefrühstückt?«
    »Hab’ keinen Hunger«, brummte er.
    Da zog sie ihn zum Küchenfenster und schaute ihn
prüfend an. »Was ist denn los mit dir, Bub?«
    »Was soll denn los sein!?«
    »Du hast doch was. Bist du krank?«
    »Nein.«
    »Hast du gesoffen?« Sie schlug sich erschrocken
die Hand vor den Mund. »Jetzt weiß ich’s.«
    »Was?«
    »Du bist durchgefallen.«
    »Im Schrank liegt der Brief.«
    »Was für ein Brief? Etwa der Brief??«
Großmutter sah ihn entsetzt an. »Wieso liegt der Brief im Schrank?«
    »Im obersten Fach.«
    Sie eilte hin und fand ihn auch gleich. »Aber
Bub, der ist ja noch halb zu! Und mit dem Buttermesser bist du so an solch
wichtiges Dokument — ja, bist du narrisch?«
    »Es war bloß Margarine.«
    Sie holte ihre Brille aus der Tasche und setzte
sie mit hastigen Fingern auf. Untersuchte den Umschlag und war erschüttert. »Am
Zehnten ist er abgestempelt. Bastian!«
    Aber er war nicht mehr da.
    Er hockte auf seinem ungemachten Bett und hielt
sich das Kopfkissen um die Ohren. Schloß auch noch die Augen. Wollte nichts
hören und nichts sehen. Einen endlosen Augenblick lang geschah gar nichts.
    Dann ein glücklicher Aufschrei.
    »Bastian — Bastian, wo bist du?«
    »Hier nicht.«
    Sie blieb strahlend vor ihm stehen. »Du brauchst
keine Scheuklappen, Bub, du hast bestanden!«
    Bastian nahm das Kissen ab und saß wie
erschlagen da.
    »Das hab’ ich befürchtet«, murmelte er. »Jetzt muß ich Lehrer werden.«
     
    Während Großmutter von hinnen eilte, um die
frohe Botschaft in München und Oberbayern zu verkünden, frühstückte Bastian
einen Schnaps.
    Na schön. Er hatte bestanden. In Pädagogik vier,
sonst alles Zweier und Dreier auf dem Zeugnis.
    Überragend war das nicht. Immerhin hatte er
allen, die an ihm zweifelten, bewiesen, daß er in der Lage war, ein Studium zu
Ende zu führen.
    Aber was bedeutete ein bestandenes Examen. Ein
Abschlußzeugnis in Theorie. Entscheidend war die Praxis. Gerade das, was ihn am
Lehrerberuf anfangs am meisten gereizt hatte — der Umgang mit Kindern, mit
unberechenbaren Lebendigkeiten — , machte ihm jetzt am meisten Sorge.
    Daß die Kinder mit ihm fertig werden würden,
daran zweifelte er keinen Augenblick. Aber ob er mit ihnen fertig wurde!? Seine
Dienstags-Aushilfsstunden in Schulen hatte er nicht als Sieger verlassen.
    Und noch immer war kein Bescheid vom
Kultusministerium gekommen, wo man ihn einsetzen würde.
    Als er damals sein Bewerbungsschreiben
aufsetzte, hatte er eine bestimmte Vorstellung gehabt: ein landschaftlich
hübscher und verkehrsgünstiger Ort, möglichst an einem See gelegen und nicht
weit von einem Skigebiet. Und München höchstens eine Autostunde entfernt.
    Das war schon eine schöne Vorstellung gewesen.
    Am ersten Tag war Kathinka nur bös auf ihn und
wollte ihn nie mehr wiedersehen,
    Am zweiten Tag war sie vor allem bös, weil er
nicht anrief. Er sollte, verdammt noch mal, anrufen, damit sie den Hörer zornig
in seine Stimme knallen konnte.
    Am dritten Tag war sie traurig. Warum gab er
nicht nach? Sie vermißte ihn so sehr.
    Wenn er sich bis zum Abend nicht meldete, dann —
also schön, dann würde sie es tun. Wozu denn auch die Bockerei? Sie hatten sich
doch lieb.
    Am Vormittag des dritten Tages hatte sie der
Chef bei der Visite plötzlich so prüfend angeschaut. »Ist was mit dir?«
    »Der Föhn, Herr Professor.«
    »Ah so, der Föhn. Wie heißt er denn mit
Vornamen, Katharina?«
    Seit einiger Zeit beachtete Klein sie wieder. Er
brauchte ihr nicht mehr übelzunehmen, daß sie ihn hatte abblitzen lassen. Er
hatte eine neue Affäre. Tolles Weib, sagte Weißbart, der sie zusammen gesehen
hatte.
    Im Grunde sollte Kathinka froh sein, daß Bastian
sich nicht mehr meldete. Je früher sie von ihm loskam, desto besser. Am Mittag
des dritten Tages verließ sie ausnahmsweise einmal pünktlich das Krankenhaus.
    Sie ging zum Parkplatz.
    Neben dem Kühler ihres Wagens hockte Bastian auf
dem Rinnstein.
    »Na du?« sagte er sehnsüchtig.
    »Na endlich wieder du«, sagte Katharina und wäre
beinah in Tränen ausgebrochen vor Erleichterung, ihn wiederzuhaben.
     
    Katharina bezahlte das Versöhnungsessen im
»Steak-house«, weil Bastian pleite war. (Keine Taxifahrten mehr, die
Nachhilfeschüler verreist — und was er noch besaß, hatte er für Biggy
ausgegeben. Biggy aus Wilmersdorf — erst gestern und schon so furchtbar lange
her.)
    Eine halbe, lauwarme Augustnacht lang bummelten
sie durch Schwabing. Blieben immer
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