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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition)
Autoren: Stephen L. Jones
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Kraft.
    Ein elendes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, als sie ihn anstarrte und sich nichts auf der Welt sehnlicher wünschte, als dass es wahr wäre. Sie kniff die Augen zu, quetschte Tränen heraus, öffnete sie wieder. Erblickte sein Gesicht, sein wunderschönes Gesicht. «Du … du bist tot», flüsterte sie.
    Nate seufzte. Sein Gesicht legte sich in Falten, und er schüttelte den Kopf. «Oh, Han. Sag so etwas nicht. Wie kannst du da stehen und das behaupten? Schreib mich nicht ab. Schreib
uns
nicht so einfach ab.»
    «Du hast ihn getötet.»
    «Ihn getötet? Aber er ist hier.
Ich
bin hier. Ich bin alles, was er war, und noch viel mehr. Ich werde mich um dich kümmern, dich beschützen, dich lieben. Sieh mich an, Hannah. Sieh diesen Mann vor dir an. Wie lange habe ich gesucht? Wie lange habe ich mein Leben der Suche nach dir gewidmet, immer nur dir? Und jetzt bist du plötzlich da, und ich bin da, und Leah ist da. Wir können alle zusammen sein, wir drei, und etwas weiterleben, von dem du geglaubt hast, du hättest es für immer verloren. Weißt du eigentlich, wie oft ich von diesem Augenblick geträumt habe? Von den Dingen geträumt habe, die ich zu dir sagen würde, den Versprechen an dich?
    «Du hast sie alle getötet.»
    Er schüttelte den Kopf. «Es war eine andere Zeit, Hannah. Eine andere Welt. Ein anderes Leben. Mehrere Leben sogar für dich. Was auch immer vorher geschehen sein mag, wir stehen jetzt hier. An diesem Wendepunkt. Niemand kann die Vergangenheit ändern, Han, aber ich bin dein Nate. Der Nate, der ich für dich sein soll. Der Nate, nach dem du dich so verzweifelt zurücksehnst. Ich bin hier, Hannah. Lass mich herein in dein Leben, lass mich einfach herein. Das ist alles, was du tun musst. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können gemeinsam die Zukunft schmieden. Gib mir eine Chance und lass mich herein, okay?»
    Hinter ihm hatte sich Leah zur Wand zurückgezogen. Ihre Augen waren riesig.
    Nate lächelte und streckte eine Hand aus. «Hannah?»
    Leah packte einen Holzstiel vom Stapel alter Werkzeuge in der Ecke, holte aus und schmetterte ihn auf den Kopf ihres «Vaters». Als das Holz Nates Schädel traf, gab es ein Geräusch wie von einem Kricketschläger, der einen Ball trifft.
    Nicht Nate.
    Jakab.
    Hannah blinzelte, und ihre Verwirrung schwand. Die Kreatur mit dem Gesicht ihres toten Ehemannes brach in die Knie und kippte zur Seite, während ihre Augen nach hinten rollten.
    Leah ließ den Stiel fallen. Hob die Hand an den Mund, kaute auf den Fingern.
    «Leah, das war unglaublich tapfer von dir», sagte Hannah zu ihrer Tochter. «Unglaublich tapfer. Das alles ist jetzt bald vorbei, versprochen. Aber zuerst musst du nach draußen gehen.»
    Das kleine Mädchen blickte zu ihr auf.
    «Leah, geh jetzt nach draußen. Geh nach draußen und warte dort, bis ich komme.»
    «Kommst du denn?»
    Hannah nickte. «Das werde ich. Aber zuerst muss ich das hier beenden. Und ich möchte nicht, dass du dabei zusiehst. Geh nach draußen.»
    Tränen rollten über Leahs Wangen. «Können wir nicht einfach gehen, Mami? Jetzt sofort? Musst du ihm wehtun? Er sieht aus wie mein Daddy.»
    «Bitte, Frechdachs.»
    Leah stolperte zur Tür. Sie zögerte und drehte sich noch einmal um. Ihr Gesichtsausdruck war grimmig und finster. Letzten Endes schien sie das Unausweichliche zu akzeptieren. Dann war sie durch die Tür und verschwunden, und Hannah war allein mit Jakab.
    Rings um sie herum drehten sich Räder und rotierten Achsen. Ein Stockwerk höher rieben und schrappten Mühlsteine übereinander. Staubflusen schwebten in der dicker werdenden Luft.
    Hannah packte das Skalpell. Kauerte über Jakab.
    Das war er also. Der Punkt, an dem es für ihn zu Ende ging. Hätte er gewusst, dass er seine letzten Augenblicke im Dreck vor ihren Füßen verbringen würde – hätte er sich dann wohl gefragt, wohin ihn all sein Morden und all seine Tricks gebracht hatten? Was er erreicht hatte?
    Als sie das Skalpell an seine Kehle setzte, die Muskeln anspannte und die Klinge in seine Halsschlagader stoßen wollte, öffnete er die Augen.
    Nicht Nates liebende Augen.
    Nicht Gabriels magische Augen.
    Nicht einmal die Augen eines Dämons.
    Es waren ordinäre Augen. Ohne jeden Glanz. Stumpf.
    In ihnen erblickte sie Wahnsinn. Wahnsinn und Angst. Nichts weiter.
    Blut lief ihm von der Platzwunde am Kopf über das Gesicht. Sein Lächeln war gezwungen, gepresst vor Schmerz. «Für einen Augenblick hast du es in Erwägung gezogen,
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