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Der Ball spielende Hund

Der Ball spielende Hund

Titel: Der Ball spielende Hund
Autoren: Agatha Christie
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Miss Arundells Füßen gebreitet war. «Bobsy wäre sehr unglücklich, wenn er wüsste, was er seinem armen, armen Frauchen angetan hat.»
    Miss Arundell fuhr sie an: «Seien Sie nicht so albern, Minnie! Wieso angetan?»
    «Aber wir wissen doch – »
    «Gar nichts wissen wir! Schusseln Sie nicht so herum – einmal da, einmal dort! Sie haben keine Ahnung, wie man sich in einem Krankenzimmer verhalten muss! Gehn Sie hinaus und schicken Sie mir Ellen!»
    Demütig schlich Miss Lawson hinaus. Die alte Dame sah ihr unter leisen Selbstvorwürfen nach. Minnie konnte einen zur Verzweiflung treiben, aber sie meinte es nur gut.
    Wieder runzelte Miss Arundell die Stirn und wehrte sich verzweifelt gegen das Gefühl ihrer Ohnmacht. Wie alle rüstigen alten Frauen ertrug sie es nicht, zur Untätigkeit verurteilt zu sein. Aber der Lage, in der sie sich jetzt befand, fühlte sie sich nicht gewachsen.
    Es gab Augenblicke, wo sie an ihrem klaren Verstand, an ihrem Erinnerungsvermögen zu zweifeln begann. Und dabei hatte sie niemand, niemand, dem sie sich anvertrauen konnte!
    Als Miss Lawson eine halbe Stunde später, eine Tasse Kraftbrühe in der Hand, auf Zehenspitzen, aber nichtsdestoweniger knarrend ins Zimmer trat und unschlüssig neben dem Bett, wo die alte Dame mit geschlossenen Augen lag, stehen blieb, stieß Miss Arundell plötzlich zwei Worte mit solcher Heftigkeit und Entschlossenheit hervor, dass die Gesellschafterin fast die Tasse fallen ließ:
    «Mary Brett», sagte Miss Arundell.
    «Ein Brett? Sie möchten – ein Brett?»
    «Taub sind Sie auch schon, Minnie? Kein Wort habe ich von einem Brett gesagt. Mary Brett – die Frau, die ich voriges Jahr in Cheltenham kennen lernte. Sie war die Schwester eines Direktors der Exeter-Bank. Geben Sie mir die Tasse, Sie haben die Hälfte verschüttet. Und schleichen Sie nicht auf Zehenspitzen ins Zimmer, Sie haben keine Ahnung, wie einem das auf die Nerven geht. Holen Sie mir von unten das Londoner Telefonbuch!»
    «Kann ich Ihnen nicht selber die Nummer nachschlagen? Oder die Anschrift?»
    «Wenn ich das gewollt hätte, dann hätte ich es gleich gesagt. Bringen Sie mir das Buch und mein Schreibzeug!»
    Miss Lawson brachte das Gewünschte. Als sie das Zimmer wieder verlassen wollte, sagte die alte Dame unerwartet: «Sie sind ein braves, treues Geschöpf, Minnie, und haben viel Geduld mit mir.»
    Die Gesellschafterin verließ, glühend rot im Gesicht und unzusammenhängende Worte stammelnd, das Zimmer.
    Miss Arundell setzte sich im Bett auf und schrieb einen Brief. Langsam und bedächtig schrieb sie, viele Wörter waren unterstrichen, und oft hielt sie inne, um nachzudenken. Endlich unterzeichnete sie den Brief, steckte ihn in einen Umschlag und versah ihn mit einem Namen. Dann nahm sie ein neues Blatt. Diesmal setzte sie ihr Schreiben zuerst auf, las es durch und änderte einige Stellen, dann schrieb sie den Entwurf ab, vergewisserte sich, dass ihre Absicht auch deutlich genug aus dem Brief hervorging, und steckte ihn in einen Umschlag, auf den sie «Mr William Purvis, Rechtsanwalt, Harchester» setzte.
    Sie griff nach dem ersten Umschlag, auf dem der Name «Mr Hercule Poirot» stand, suchte im Telefonbuch die Anschrift und schrieb sie darunter.
    Es klopfte. Miss Arundell steckte den Brief, den sie soeben adressiert hatte, hastig in ein Fach ihrer Schreibmappe, damit Minnies Neugier nicht erregt würde; Minnie war ohnedies viel zu neugierig.
    «Herein!», sagte sie und ließ sich mit einem Seufzer der Erleichterung in die Kissen fallen. Sie hatte gehandelt – hatte Schritte unternommen, um mit der Situation fertig zu werden.

5
     
    Die Ereignisse der ersten vier Kapitel erfuhr ich natürlich erst lange nachher, aber dank genauer Befragung der Verwandten glaube ich, sie getreu wiedergegeben zu haben.
    Poirot und ich wurden mit dem Fall erst Ende Juni bekannt, als wir Miss Arundells Brief erhielten.
    Es war ein glühend heißer Morgen. Ich saß am Fenster, als die Frühpost gebracht wurde. Nach einer Weile wandte ich den Kopf zu Poirot und sagte: «Poirot, ich, der bescheidene Watson, werde jetzt einen Schluss ziehen.»
    «Ziehen Sie, Hastings, ziehen Sie! Ich bin entzückt darüber.»
    Ich warf mich in Positur und sagte großartig: «Unter der Frühpost befand sich ein Brief von besonderem Interesse.»
    «Sie sind nicht Watson, Sie sind Sherlock Holmes selbst. Sie haben vollkommen recht.»
    «Es war nicht schwer zu erraten, Poirot. Wenn Sie einen Brief zweimal lesen, muss er von
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