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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Autoren: Stefan Aust
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Vorfall in Stammheim verständigt und angewiesen, Erkenntnisse in ihrem Bereich, die im Zusammenhang mit dem Vorfall in Stammheim stehen, sofort an die Abteilung  8 weiterzugeben.«
    Offenbar wurde unter dem Decknamen »Sondermaßnahme« auch die Überwachung der Stammheimer Häftlinge koordiniert. Wie sonst hätten die Beamten der Sondermaßnahme von den Geschehnissen der Todesnacht wissen können?
    Unmittelbar nach dem Selbstmord der Häftlinge wußte das Landeskriminalamt ganz genau, auf welche Weise die Gefangenen miteinander kommunizieren konnten. Was man monatelang angeblich übersehen hatte, war plötzlich in allen Details bekannt, wie ein LKA -Dokument vom 21 . Oktober 1977 beweist. Das war, bevor der Sachverständige der Bundespost überhaupt seine Arbeit aufgenommen hatte. In dem Papier heißt es: »Die Verständigung war außergewöhnlich gut.« Das konnte man eigentlich noch nicht wissen, denn Verstärker, Lautsprecher, Kopfhörer und Kabel waren nicht miteinander verbunden, als die Leichen entdeckt wurden.
    Es gibt kaum einen Zweifel: Die Kommunikationsanlage im siebten Stock muß lange vor dem Tod der Häftlinge entdeckt und von den beamteten Lauschern angezapft worden sein. Es drängt sich die Frage auf: Wurden die Stammheimer Gefangenen in der Todesnacht abgehört, gab es oder gibt es Tonbänder, was war oder ist darauf zu hören? Liefen nur Bänder mit, oder saßen Beamte daneben? Was taten diese, als sie die Verabredung zum Selbstmord belauschten?
    Das sind Fragen, mit denen Bundesinnenministerium, Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt und vor allem die Behörden in Baden-Württemberg konfrontiert wurden. Die Antwort war immer die gleiche: Es gebe keine Akten mehr über die Abhörmaßnahmen in Stammheim. Lediglich das Innenministerium in Baden-Württemberg entdeckte bei einer Suchaktion im eigenen Hause viereinhalb Meter geheimer Akten zum Thema RAF und Stammheim. Das Innenministerium teilte dazu mit, »die Prüfung der möglichen Freigabe von Verschlußsachen« sei »ein komplexer und vielschichtiger Vorgang«. Eine abschließende Entscheidung sei bisher nicht möglich. Die Sichtung der Unterlagen habe derzeit keine neuen Erkenntnisse erbracht.
    Der ehemalige Staatsschutzbeamte Dieter Löw, der den Einsatzkalender mit der »Sondermaßnahme« verfaßt hatte, sei zu einer »Kontaktaufnahme nicht bereit«.
    Aussagegenehmigungen für Beamte, die namentlich benannt worden waren, wurden sehr stark eingeschränkt oder gar nicht erteilt. Aussagegenehmigungen vom Innenministerium in Baden-Württemberg waren so restriktiv, daß ein Interview kaum noch lohnte. Über Vorgänge, die mit »NfD« (Nur für den Dienstgebrauch) bis zu »geheim« klassifiziert waren, durfte nichts gesagt werden. Die Strafandrohung für einen Verstoß gegen diese Geheimhaltungsrichtlinien wurde gleich mitgeliefert. Selbst ein juristisches Gutachten, in dem das Stuttgarter Justizministerium die Frage untersuchte, welche Vorgänge heute noch als geheim oder nicht geheim eingestuft werden, wurde geheimgehalten.
    Keine Frage, es gibt hier einiges, was bis zum heutigen Tag, aus welchen Gründen auch immer, geheim bleiben soll.
    Als Wochen nach dem Selbstmord der Gefangenen im siebten Stock der Putz von den Wänden geschlagen wurde, um die Zellen zu renovieren, geschah dies unter Aufsicht von Experten der Gruppe Fernmeldewesen, wie ein Schreiben vom 22 . November 1977 an das Innenministerium Baden-Württemberg beweist.
    Die Aufgabe der Experten: »Überprüfung sämtlicher Stark- und Schwachstromanschlüsse sowie der Leitungsführungen durch sachkundige Beamte des BGS . Entfernung des Putzes in den Zellen und im Umschlußraum durch eine vom Hochbauamt zu bestimmende Privatfirma, wobei die BGS -Beamten dieser Firma als sachkundige Berater über die gesamte Dauer der Arbeiten zur Verfügung stehen.«
    Abhöranlagen sind Schwachstromanlagen. Es liegt nahe, daß diejenigen, die den Abbau überwachten, auch für den Aufbau verantwortlich gewesen waren.
    Viele Indizien deuten darauf hin, daß die Gefangenen in Stammheim während der Entführung Schleyers abgehört wurden, entweder durch die von den Gefangenen eingerichteten Kommunikationsanlagen oder durch in den Zellen installierte Wanzen – oder über beides. Sich in eine von den Gefangenen heimlich gebaute Kommunikationsanlage einzuklinken, wäre juristisch durchaus zu rechtfertigen gewesen. Die Frage ist nur, was die Abhörer mitbekommen haben und welche Konsequenzen sie daraus
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