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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke
Autoren: Gary Jennings
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gefertigt, wie die Hexenfrauen es tun, wenn sie einem Mann etwas Böses wünschen. Béu sagte, und das klang noch trauriger, sie habe es nicht gemacht, um mir weh zu tun; sie habe so lange und vergeblich darauf gewartet, daß wir das Lager miteinander teilten; deshalb habe sie dieses Bild gemacht, um damit zu schlafen und mich vielleicht dadurch zu verzaubern, auf daß ich sie in die Arme schließe und sie liebe. Schweigend saß ich daraufhin neben ihrem Lager, und ich sann über viele Dinge nach und erkannte, wie blind und wie unzugänglich ich gewesen war in all den Jahren, in denen Béu und ich einander gekannt hatten; daß ich blinder und kranker an den Augen gewesen war als Béu jetzt, wo sie völlig erblindet ist. Es steht einer Frau nicht an zu erklären, daß sie einen Mann liebe, und Béu hatte dieses traditionelle Verbot stets beachtet; nie hatte sie es gesagt, sondern ihre Gefühle stets hinter einer Keckheit verborgen, welche ich eigensinnig immer für Hohn und Spott gehalten. Nur wenige Male hatte sie ihre damenhafte Zurückhaltung aufgegeben – und mir fiel ein, daß sie einst sehnsüchtig gesagt hatte: »Früher habe ich mich gefragt, warum ich Wartender Mond genannt wurde« –, und ich hatte mich stets geweigert, diese Augenblicke zu erkennen, wo ich doch nichts weiter hätte zu tun brauchen, als die Arme auszubreiten … Gewiß, ich liebte Zyanya, habe sie immer geliebt und werde sie immer weiter lieben. Doch dem hätte es ja keineswegs irgendwelchen Abbruch getan, wenn ich später auch Béu geliebt hätte. Ayya, die Jahre, welche ich vertan habe! Schließlich hatte ich mich ja selbst um etwas gebracht; ich kann die Schuld daran auf niemand anders schieben. Und was mich im Herzen noch mehr schmerzt, ist die schroffe Art, in welcher ich Wartenden Mond zurückgestoßen habe, welche so lange gewartet hat, bis es jetzt zu spät ist, auch nur einen allerletzten Augenblick von all diesen vertanen Jahren zu retten. Ich würde es sie ja spüren lassen, wenn ich könnte, aber ich kann es nicht. Ich hätte sie ja gestern abend zu mir genommen und in Liebe bei ihr gelegen, und vielleicht hätte ich es gekonnt; aber was von Béu noch übriggeblieben ist, konnte es nicht. So tat ich das einzige, was möglich war, nämlich sprechen. und so sprach ich ganz aufrichtig, als ich sagte: »Béu, meine geliebte Frau, ich liebe dich auch.« Sie konnte nicht antworten, denn die Tränen kamen ihr und erstickten das bißchen Stimme, was ihr noch geblieben war. Aber sie streckte die Hand nach mir aus. Ich drückte sie zärtlich und saß da und hielt sie, und ich hätte auch unsere Finger verschränkt doch nicht einmal das konnte ich tun, denn sie hat keine Finger mehr. Wie Ihr vermutlich schon erraten habt, ehrwürdige Patres, war der Grund ihres langen Sterbens der, daß sie an der Krankheit des Von-den-Göttern-gefressen-Werdens litt. Ich habe bereits beschrieben, wie das ist, und so möchte ich jetzt lieber nicht erzählen, was die Götter noch nicht gefressen haben von der Frau, welche einst so schön gewesen war wie Zyanya. Ich saß einfach neben ihr, und wir schwiegen beide. Ich weiß nicht, was sie dachte, doch ich erinnerte mich an die Jahre, da wir zusammen und doch nicht zusammen gelebt haben, und was für eine unverzeihliche Verschwendung das ist. Liebe und Zeit, das sind die einzigen Dinge in der ganzen Welt und im ganzen Leben, welche man nicht kaufen, sondern nur geben kann. Gestern abend haben Béu und ich einander endlich unsere Liebe gestanden. Ich erinnerte mich an jene Nacht, da mein Vater mich auf den Schultern unter den »ältesten der alten« Zypressen über die Insel Xaltócan dahintrug, und wie ich vom Mondschein in Mondschatten getragen wurde und dann wieder hinein in den Mondschein. Damals ist es mir selbstverständlich nicht bewußt gewesen, doch habe ich damals erfahren, wie mein Leben verlaufen sollte – abwechselnd in Licht und in Schatten, in gesprenkelten Tagen und Nächten, guten Zeiten und schlechten. Seit jener Nacht habe ich mein Teil an Ungemach und Kummer getragen, möglicherweise mehr als ein gerüttelt Maß. Doch daß ich Béu Ribé unverzeihlicherweise vernachlässigt habe, ist Beweis genug, daß auch ich anderen Ungemach und Kummer zugefügt habe. Nun, es nützt nichts, sein Tonáli zu bedauern oder zu beklagen. Und ich meine, alles in allem ist mein Leben eher gut als schlecht verlaufen. Die Götter haben mir viel Glück geschenkt und mir bisweilen auch Gelegenheit gegeben, Gutes
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