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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke
Autoren: Gary Jennings
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auszurotten. Erst nachdem die Zivilisation der Unkrautmenschen gedieh und zu großer Blüte gelangte, wurden sie niedergemäht. Blumen sind wunderschön, sie duften und sind begehrenswert, aber sie sind auch vergänglich. Vielleicht gibt es in Der Einen Welt andere Unkrautmenschen oder wird es geben, und vielleicht ist es ihr Tonáli, als nächste zu erblühen, und vielleicht werdet ihr weißen Männer nicht in der Lage sein, sie niederzumähen, und vielleicht gelingt es ihnen, so hoch aufzusteigen, wie wir einst aufgestiegen sind. Es könnte sein, wenn sie marschieren, daß einige meiner eigenen Nachkommen in ihren Reihen mitmarschieren. Ich habe keine Ahnung, welche Samen ich in den fernen Südlanden gelegt habe; die Menschen dort sind seit so langer Zeit so verkommen, daß sie nie wieder etwas sein werden, nicht einmal dadurch, daß ihnen Mexícatl-Blut zugeführt worden ist. Aber im Norden – nun, unter den vielen Orten, wo ich geliebt habe, ist immer noch Aztlan. Und vor langer Zeit ist mir aufgegangen, was die Einladung bedeutet hat, welche der Geringere Sprecher übermittelt hat, der gleichfalls Tliléctic-Mixtli hieß. Er sagte: »Du mußt wieder nach Aztlan kommen, Bruder, dort erwartet dich eine kleine Überraschung«, doch erst später fiel mir wieder ein, daß ich viele Nächte hindurch bei seiner Schwester gelegen habe, und ich wußte, worin diese Überraschung bestehen muß. Oft habe ich mich gefragt: Knabe oder Mädchen? Doch das eine weiß ich: Er oder sie wird nicht stumpf in Aztlan zurückbleiben, sollte eine neue Völkerwanderung von dort ausgehen. Und ich wünsche dem jungen Unkraut allen Erfolg … Aber ich schwafle schon wieder, Seine Exzellenz werden unruhig. Wenn Ihr denn gestattet, Señor Obispo, werde ich mich jetzt verabschieden. Ich werde gehen und bei Béu sitzen, und ich werde ihr immer wieder sagen, daß ich sie liebe, denn ich möchte, daß das die letzten Worte sind, welche sie jede Nacht hört, ehe sie einschläft, und ehe sie den allerletzten Schlaf beginnt. Und wenn sie schläft, werde ich mich erheben und hinausgehen in die Nacht und durch die leeren Straßen wandern.

Explicit
    Die Chronik, erzählt von einem älteren Indianer vom gemeinhin Azteken genannten Stamm, aufgezeichnet verbatim ab origine von
    P. GASPAR DE G AYANA J.
P. TORIBIO VEGA DE ARANJUEZ P. JERÓNIMO MUÑOZ G.
P. DOMINGO VILLEGAS E YBARRA
ALONSO DE MOLINA, interpres
    Am Tag des Hl. Jacobus, Apostel
    25. Juli A. D. 1531

IHS
S.C.C.M.
    SEINER ALLERKATHOLISCHSTEN MAJESTÄT, KAISER KARL V., UNSEREM ALLERDURCHLAÜCHTIGSTEN KÖNIG UND HERRN:
    Allergebieterischste Majestät: Aus der Stadt Mexíco, Hauptstadt Neuspaniens, am Tag des Festes der Heiligen Unschuldigen Kinder im Jahre des Herrn eintausendfünfhundertundeinunddreißig, entbieten wir Euch unseren alleruntertänigsten Gruß.
    Verzeiht, daß seit unserem letzten Schreiben soviel Zeit verstrichen ist, Sire. Wie Kapitän Sánchez Santoveña bezeugen wird, verzögerte sich die Ankunft seines Kurierschiffs allhier aufgrund widriger Winde bei den Azoren und einer ausgedehnten Windstille in den Breiten des Sargassomeeres. Aus diesem Grunde haben wir erst jetzt Eurer Großmütigen Majestät Brief erhalten, in welchem Ihr uns anweist, daß – »als Entschädigung für seine der Krone geleisteten Dienste« – unser aztekischer Chronist »für sich und seine Frau ein bequemes Haus auf einem geeigneten Stück Land erhalte nebst einer Pension, so geeignet ist, ihn für die ihm noch verbleibende Lebensspanne zu unterhalten«.
    Wir bedauern sagen zu müssen, daß wir dem nicht entsprechen können, Sire. Der Indianer ist tot, und falls seine sieche Witwe noch leben sollte, haben wir keine Ahnung, wo.
    Da wir uns schon früher erkundigt haben nach dem, was Euer Majestät hinsichtlich des Azteken zu tun geruhen, und was nach Beendigung seiner Aufgabe mit ihm zu geschehen habe, und da die einzige Antwort darauf in einem vielsagend langen Schweigen bestand, können wir uns vielleicht als entschuldigt betrachten, wenn wir annahmen, daß Eure Tiefgläubige Majestät den Glauben des Schreibers dieser Zeilen teilen, wie er schon anläßlich unserer Kampagne gegen die Hexen von Navarra zum Ausdruck gebracht wurde, daß »eine Ketzerei übersehen, bedeutet der Ketzerei Vorschub zu leisten«.
    Nachdem wir noch eine geraume Zeit verstreichen ließen, um auf Anweisungen von Euch zu warten, Sire, oder auf irgendeine Andeutung Eurer Wünsche betreffs angemessener Erledigung der
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