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Der Auftrag

Der Auftrag

Titel: Der Auftrag
Autoren: Jutta Ahrens
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Granit, edlen Hölzern, Bronze, oder waren mit einer Gold- oder Silberlegierung überzogen. Sie alle zeigten die Züge Dorons. Neben jeder war eine Wache postiert, die genau darauf achtete, dass jeder, der vorüberging, sich verneigte und die Büste mit den Worten grüßte: »Göttlicher! Mögest du ewig leben.«
    Natürlich war vielen Besuchern dieses Ritual lästig und ganz besonders Borrak, aber die meisten, die diesen Weg gehen mussten, waren viel zu befangen oder von Furcht gepeinigt, als dass sie sich darum Gedanken gemacht hätten. Auch Borrak war dabei, sich seine Worte zurechtzulegen, und murmelte den frommen Wunsch nur halbherzig vor sich hin. Niemand wies ihn zurecht. Immerhin schien man ihn zu kennen.
    Der ewige Weg endete an den riesigen Flügeltüren des Thronsaals, die sich wie von Geisterhand öffneten, als Borrak sich ihnen näherte. Zögernd trat er ein. Der Saal war dermaßen mit goldenen und silbernen Möbeln, Figuren und anderen Schmuckstücken überladen, dass er funkelte wie ein riesiger Kristall. Borrak überwältigte der Anblick wie beim ersten Mal. Nur einen Tag Herrscher sein über diese Pracht, was musste das für ein berauschendes Gefühl sein! Ja, wer über diesen Palast gebot, den durfte man wahrhaft göttlich nennen.
    Zwei Wachen gesellten sich sofort an seine Seite und geleiteten ihn über einen kostbaren Teppich zur gegenüberliegenden Stirnwand. Dort auf einem siebenstufigen Podest stand der Thron, und König Doron saß darauf. Aber auch hier waren die Entfernungen so bemessen, dass Borrak ihn nur an seinem gleißenden, lang herabfallenden Umhang ausmachen konnte. Kleine Bronzelöwen säumten seinen Weg und hohe, bunt gemalte Säulen. Das alles huschte wie Schatten an ihm vorüber. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht, sein Herz hämmerte hart gegen seine Rippen. Je weiter sie sich dem Throne näherten, desto heftiger zitterten ihm die Knie.
    Diesmal würde er den König aus der Nähe betrachten können. Doron war kein gütiger Herrscher, den hätte Borrak auch verachtet, aber heute bedurfte er selbst der Gnade, und seine Meinung hatte sich kurzfristig geändert.
    Ohne die Augen zu ihm aufzuheben, denn das war ihm noch nicht gestattet, fiel Borrak vor dem Podest auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden. Grausame Sekunden des Schweigens verstrichen. Dann hörte er eine Stimme: »Erhebe dich.«
    Es war nicht der König, der das gesagt hatte. Neben ihm stand ein hagerer, ganz in Weiß gekleideter Mann mit kalten Augen und schmalen Lippen. Es war Lenthor, und er wurde der Mund des Königs genannt, denn Doron sprach niemals mit einem Untergebenen. Es gab nur sehr wenig Menschen in Margan, an die er persönlich das Wort richtete. Borrak gehörte nicht zu ihnen.
    Borrak erhob sich, das Haupt gesenkt.
    »Dir ist erlaubt, den göttlichen Herrscher anzusehen.«
    Borrak blinzelte furchtsam. Dorons Gesichtszüge waren ihm von den Büsten auf dem Gang sattsam bekannt. Doch als er ihm in die Augen sah, zuckte er überrascht zusammen, denn er glaubte, abermals vor einer Bildsäule zu stehen. Nur die Augen in den harten, gemeißelten Zügen lebten. Sie waren unergründlich wie dunkelblaues Eis, das man in den Gletscherhöhlen der Wolkenberge fand. Dorons Hautfarbe war ein heller Kupferton, und sein langes weißblondes Haar, das ihm bis auf die Brust reichte, besaß einen silbernen Schimmer, der durch eine Lösung hervorgerufen wurde, die im Mondtempel entwickelt worden war. Er war von einer kalten Schönheit, und von seinem Herzen sagte man dasselbe.
    Lenthor forderte ihn auf, das Scheitern der Mission zu begründen und zu rechtfertigen. Borrak stotterte sich seine zurechtgelegten Worte zusammen, während er immer wieder betonte, dass die Götter ihm nicht wohlgesonnen waren und er sich das alles nicht erklären könne.
    Dorons Miene blieb völlig ausdruckslos, auch Lenthor war unbeeindruckt. »Diese Wesen in dem Wald waren also Werwölfe?«
    »Meine Krieger hielten sie dafür, aber es waren natürlich Menschen. Halbwilde Räuber, Gesetzlose, die überall in den Wäldern leben. So nah an der Grenze zu Xaytan haben sie sich jedoch noch nie aufgehalten.«
    »Das Gold wurde aber bereits in Xaytan geraubt? So hat es Thuaighan berichtet?«
    »Ja, so war es. Ich hatte den Eindruck, er sei deswegen bei König Nemarthos in Ungnade gefallen.«
    »Könnten diese Räuber die Grenze überschritten und das Gold geraubt haben?«
    »Das halte ich sogar für wahrscheinlich«, beeilte sich Borrak zu
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