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Der aufrechte Soldat

Der aufrechte Soldat

Titel: Der aufrechte Soldat
Autoren: Brian W. Aldiss
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etwas gedämpfter, ging es weiter, während wir fast zaghaft und ängstlich unsere Eier mit Speck und unseren Toast verzehrten. Die Gabe der Rede ist bei solchen Gelegenheiten ein wahrer Fluch. Nelson unterhielt uns mit einer Schilderung der Gaskampf-Ausbildung, die er in Edinburgh absolvierte, und Ann steuerte ein paar Witze bei.
    »Habt ihr schon gehört, was die Briten und die Amerikaner übereinander sagen? Die Briten meinen, bei den Amerikanern störten nur drei Dinge – sie hätten zu viel Sex, zu viel Geld und zu viele Leute bei uns.«
    »Ich möchte solche Reden nicht in diesem Haus hören!«
    »Und die Amerikaner erwidern, bei den Briten störten ebenfalls drei Dinge – sie hätten keinen Sex, kein Geld und keinen Eisenhower.«
    Nelson und ich lachten pflichtschuldigst, obgleich wir den Witz schon kannten. Wir lachten auch mit einem leichten Unbehagen: Wir wußten, daß Ann mit einem amerikanischen G. 1. befreundet war. Vermutlich hatte sie den Witz von ihm. Wir hofften, daß sie nicht noch mehr von ihm hatte – der Witz traf ziemlich genau den Nagel auf den Kopf. Die Amerikaner hatten sexuelle Beziehungen, wir hatten nur Beziehungen.
    In meinen Stiefeln umherpolternd, suchte ich die Sachen für meinen Seesack zusammen und rammte mir die Feldmütze auf den Kopf, so daß sie schräg über dem rechten Ohr hing und ihre beiden glänzenden Messingknöpfe über meiner rechten Augenbraue blinkten. Ich beantwortete wiederholte Nachfragen, ob ich auch die Äpfel eingepackt hatte, die man für mich von unserem einzigen Baum gepflückt hatte. Die Zeit des Abschiednehmens war gekommen. Das war es also. Lebe wohl, England, Heimat und Paradies! Mit dem Bus zum Bahnhof, und dann hinaus in die Welt.
    »Wir sehen uns in Berlin, Kamerad«, sagte Nelson, als wir uns die Hände schüttelten. Ich gab Ann einen Kuß und drückte sie fest an mich, tat das Gleiche wortlos mit Mutter, die nur schluchzte und mir die Schulter tätschelte. Wir sahen uns gegenseitig mit ziemlich leidenden Mienen an, während ich den Seesack auf meine linke Schulter hievte. An der Haustür drängten wir uns noch einmal traurig zusammen, berührten uns gegenseitig. Dann ging ich mit Vater die Straße hinunter; er begleitete mich bis zur Bushaltestelle, von wo aus er dann seinen Weg zur Bank fortsetzte.
    Meine Stiefel schienen auf dem Pflaster einen furchtbaren Lärm zu veranstalten. Es waren nur einfache Frauen im mittleren Alter und alte Männer zu sehen, keine Sylvia. Die vertrauten Straßen, aber verlassen. Alte Automobile, ein oder zwei Hunde. Mitte August und etwas welkes Laub in der Gosse. Es gibt keinen geeigneten Weg, wie man den Menschen, die man liebt, auf Wiedersehen sagt; man dreht sich einfach um und blickt zurück, vorsichtig, damit einem die Uniformmütze nicht vom Kopf rutscht, und man grinst und winkt vage. Man hat sich längst voneinander getrennt: ein paar Meter, ein paar Sekunden, aber es reicht.
    »Du wirst sehen, daß es gar nicht so übel ist«, sagte Vater und redete mit einem Unterton unbeholfener Munterkeit. Der Seesack auf meiner Schulter ließ ihn neben mir wie einen Zwerg aussehen. »Weiß Gott, wenn ich etwas jünger wäre, würde ich voller Stolz mit dir marschieren.«
    »Du hast deinen Teil schon beim letzten Mal geleistet, Papa.«
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte, du hast schon beim letzten Mal genug getan.«
    »Ich hoffe nur, daß sie dich nicht in den Fernen Osten schicken. Dort zu kämpfen ist einfach furchtbar. Europa ist gar nicht so schlecht, der Mittlere Osten auch nicht; du kannst von dort immer mal wieder nach Hause zurückkommen … Was aus uns allen noch werden soll, das weiß ich nicht.«
    »Hoffen wir, daß alles schnell vorbei ist.«
    »Birmingham war gestern abend wieder mal an der Reihe. Man fragt sich, wo das alles noch enden soll …«
    Wir erreichten die Bushaltestelle. Zwei alte Männer standen dort, redeten nicht miteinander, hatten die Hände in die Taschen gesteckt und blickten die Straße hinunter, als hielten sie Ausschau nach Vorboten der Wehrmacht. Ich blieb hinter ihnen stehen, und Vater begann vom Weltkrieg zu erzählen. Genauso wie Mutter hatte er ein schlechtes Gewissen. Irgend etwas fehlte ihm. Er wurde alt. Als der Bus sich näherte, schob er mir eine Fünf- Pfund-Note in die Hand, frisch von der Bank, und meinte – sagte er es wirklich? Brachte er es tatsächlich über sich, das zu sagen? –: »Sei ein guter Junge und geh auf keinen Fall in die Freudenhäuser«, oder bildete ich es mir
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