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Der Attentaeter von Brooklyn

Der Attentaeter von Brooklyn

Titel: Der Attentaeter von Brooklyn
Autoren: Matt Beynon Rees
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ein verschleierter Mann?«
    »Das weißt du doch so gut wie ich, Papa. Du hast uns im Geschichtsunterricht davon erzählt.«
    »Der Schleier, der in den messianischen Geschichten vom Verräter getragen wird, vom Feind des Mahdi.«
    »So ist es. Wenn unser Messias, der Mahdi, kommt, muss der Mann, der sich ihm entgegenstellt, einen Schleier tragen, und der Mahdi wird gegen ihn kämpfen und ihn töten.«
    In der Nähe heulte eine Sirene auf.
    »Was hat das mit Raschid zu tun?«, fragte Omar Jussuf.
    Ala schüttelte den Kopf. »Raschid und Nisar –«
    Die Sirene kam näher.
    »Little Palestine ist nicht so, wie ich dich glauben machen wollte, Papa«, sagte Ala. »Amerika ist sehr rau. Für mein Computerdiplom von der Universität Bethlehem interessiert sich hier kein Mensch. Ich konnte keinen vernünftigen Job finden. Bei Raschid und Nisar war es genauso. Für die Amerikaner sind wir bloß eine weitere arabische Bande, Terroristen oder Sympathisanten von Terroristen, antiamerikanische Fanatiker, denen man mit entsprechendem Fanatismus begegnen muss.« Er schlug sich mit den Händen gegen die Hüften und ließ die Schultern sinken. »Ich bin kein Programmierer. Ich arbeite als Verkäufer in einem Computerladen, der von einem anderen Palästinenser geführt wird. Um über die Runden zu kommen, fahre ich ein paar Nächte pro Woche Taxi. Raschid und Nisar fahren für die gleiche Firma. Ich teile mir dieses Apartment mit ihnen, weil ich mir keine eigene Wohnung leisten kann.«
    »Was hat das damit zu tun? Wieso soll das beweisen, dass Raschid Nisar ermordet hat?«
    »Ich habe hier mit ihnen gewohnt, war ihnen nahe. Ich weiß, wie schwierig das Leben in Amerika für sie war, und ich weiß, was zwischen ihnen vorgefallen ist.«
    »Und was wäre das?«
    Ala rieb sich mit der Hand die Augen und ließ die Gardine wieder vors Fenster fallen. »Die Polizei ist da«, sagte er.

Kapitel
3
    Die Spezialisten von der Spurensicherung riefen sich Details zu, über die Leiche, über ihre Lage und ihren Zustand, ihren Abstand zu den herumliegenden Gegenständen. Vokale sprachen sie nasal aus, und ihre Zungen ließen gequetschte Konsonanten an die Vorderzähne prallen, sodass Omar Jussuf Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen. Zusammengesunken in einer Sofaecke fragte er sich, wie er ihnen erklären konnte, warum der tote Junge aus Bethlehem nach Brooklyn geflohen war. Seine Heimatstadt schien sehr weit weg zu sein und würde diesen Ermittlern gewiss fremd sein. Er befürchtete, dass man jede seiner Aussagen missverstehen und falsch auslegen würde, wie es häufig Leuten passiert, die mit ungewohnten Situationen konfrontiert werden.
    Am anderen Ende des Sofas schien Ala der Polizei gar nicht mehr zuzuhören. Mit wütend zusammengebissenen Zähnen starrte er die Kratzer auf den Dielen an. Was genau weiß er?, dachte Omar Jussuf. Wie kann er sich so sicher sein, dass dieser Mord die Tat seines Mitbewohners war? Er kämpfte gegen den Drang an, jemanden seinen Groll dafür spüren zu lassen, dass er diese Störung seines Besuchs verursacht hatte. Wider Willen platzte er heraus: »Ala, in was bist du da hineingeraten?« Er wollte sich sogleich wieder entschuldigen, aber Alas Blicke waren bitter und bedrohlich.
    Omar Jussuf fummelte an seiner Brille herum und seufzte. »Erinnerst du dich noch daran«, fragte er, »wie Nisar auf der Frèresschule immer Pater Michel aufgezogen hat? Wie er sein überkorrektes Arabisch nachgemacht hat?«
    Ala legte die Fingerspitzen an die Stirn, bedeckte sein Gesicht und weigerte sich, auf seinen Vater einzugehen. Aber als Omar Jussuf das Schulterzucken und den Schmollmund des katholischen Priesters imitierte, der dem Jungen als Teenager Französisch beigebracht hatte, kicherte sein Sohn und spielte mit. »Der Pater sagte immer: ›Mein Junge, wenn ich dich beleidigen wollte, würde ich dich als ketzerischen Protestanten bezeichnen, aber ich halte mich lieber an die Tatsachen und sage, dass du nur ein dummes Kind bist, eh?‹ Nisar konnte ihn perfekt nachmachen.«
    »Nisar war immer der lustigste Junge.« Omar Jussufs abwesender Blick verlor sich in zauberhaften Erinnerungen.
    »Als Pater Michel einmal krank war, brachte ihm Nisar zum Aufwärmen einen Topf mit dem Mulukijeh seiner Mutter mit«, sagte Ala.
    »Ja, seine Scherze waren immer liebenswert.«
    Ihr Lachen ebbte ab, während beide ihren Erinnerungen an den Mann nachhingen, dessen Leiche nebenan lag.
    Eine kleine dunkelhäutige Frau mit glattem schwarzem
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