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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt
Autoren: Jonas Winner
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Natürlich! Sie standen ja auch vor dem Eingang zum Saal 621 ! Eben noch hatte eine Schranke sie von ihm getrennt, jetzt brauchte er bloß über den Gang zu gehen, um sich zu diesen Leuten zu gesellen! Im selben Moment trat eine Frau aus dem Saal und wandte sich an den Verteidiger. Ben zuckte unmerklich zusammen. Es war Sophie Voss, die Zeugin, die der Richter bis zur Pause befragt hatte. Der Verteidiger lächelte sie an. Sie sagte etwas, nickte und ging dann den Flur Richtung Ausgang hinunter.
    ›Ruf mich doch bitte mal zurück.‹
    Ben fluchte innerlich. Er hatte keine Lust, sich bei Hellwig zu melden. Es würde ja doch nur darauf hinauslaufen, dass er unverzüglich nach Hause fahren musste, um mit der Überarbeitung des Drehbuchs zu beginnen. Und wozu? Damit Hellwig es dann doch wieder ablehnen konnte?
    ›Sorry, Ben, aber es knallt noch nicht richtig.‹
    Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte Ben begonnen, der Frau hinterherzugehen, die aus dem Gerichtssaal gekommen war.
    Er beobachtete, wie sie sich im Gehen einen hellen Regenmantel überzog, und sein Blick wanderte zu den nackten Füßen in den Pumps, mit denen sie über die Steinfliesen lief. Ben spitzte die Lippen und schaute auf ihren Hinterkopf. Sie hatte die Haare jetzt mit einem Haargummi zusammengebunden, so dass er ihre Ohren sehen konnte, in denen winzige Ohrringe steckten. Gleichzeitig fiel Ben ein feiner, herber, fast nicht wahrnehmbarer Duft auf, der von ihr auszugehen schien. Sie musste sich mit etwas Parfüm eingestäubt haben.
     
    Als Ben die schwere Tür des Haupteingangs aufstieß, stand sie bereits an der Straße, reckte den Hals und blickte den Autos entgegen, die an einer roten Ampel warteten. Er ging die paar Stufen hinunter, die zum Bürgersteig führten, und warf ebenfalls einen Blick zu den Fahrzeugen. Inmitten der Autodächer war ein Taxischild zu erkennen, doch das Schild war erloschen, der Wagen belegt. Im gleichen Moment sprang die Ampel auf Grün, und die Fahrzeuge brausten mit Getöse an ihnen vorbei.
    Ben stutzte. Sie sah ihm direkt in die Augen! Sie hatte den Autos nachgesehen, sich umgedreht – er hatte gar nicht bemerkt, dass er nur wenige Schritte hinter ihr am Straßenrand stehen geblieben war.
    Ben lächelte, aber da hatte sie sich schon wieder abgewandt. Ihr Blick jedoch schien wie ein Widerhaken in ihm stecken geblieben zu sein. Sollte er sie ansprechen? Er riss sich zusammen. Unmöglich!
    Da sah er, wie sie die Hand hob. In dem neuen Schwung Autos, der auf sie zukam, konnte Ben jedoch kein Taxi erkennen. Stattdessen scherte eine große Limousine weiter hinten aus, zog an den Bordstein, rollte aus und blieb stehen.
    Ben hielt die Luft an. Ihr Freund, ihr Mann, sie lässt sich abholen! Doch anstatt die Beifahrertür aufzuziehen, ging sie zur hinteren Tür des Fahrzeugs und öffnete diese. Bens Blick sprang zu dem Fahrer, der durch die Windschutzscheibe nur schemenhaft zu erkennen war. Ein älterer Mann, der sich zu ihr nach hinten umgedreht hatte, während sie sich in den Wagen setzte. Mit sattem Klacken fiel die Tür hinter ihr zu. Die Limousine rollte an.
    Fassungslos starrte Ben in das Seitenfenster, als der Wagen auf seiner Höhe war. Aber sie schaute nicht zu ihm herüber, hielt den Kopf geradeaus gerichtet und fasste in dem Moment, in dem sie ihn passierte, nach dem Griff über dem Fenster. Ihr Unterarm verdeckte ihre Augen, dann war der Wagen vorüber.
    Ben atmete aus und starrte dem Fahrzeug hinterher. Ein Berliner Kennzeichen. Er sog die Luft wieder ein. War der Duft ihres Parfüms noch zu spüren? Doch es roch nur nach Abgasen und dem metallischen Dunst der Stadt.

10
    »Ich habe bis kurz nach halb elf gearbeitet –«
    »Halb elf Uhr abends.«
    »Ja. Es ging um das Projekt Heidestraße. Ich hatte das Gefühl, nach einigen Wochen des Herumprobierens, der falschen Ansätze und Irrtümer, endlich auf dem richtigen Weg zu sein. Deshalb habe ich den Abend genutzt, um verschiedene Skizzen anzufertigen.«
    »Bis kurz nach halb elf.«
    »Ja.«
    »Und danach?«
    »Bin ich noch in den Park gegangen, der direkt vor unserem Büro liegt. In den Tiergarten. Ich mag den Park sehr, deshalb habe ich die Büroräume auch genau dort gemietet. Ich gehe oft im Tiergarten spazieren, versuche dabei, meine Gedanken zu ordnen.«
    Ben starrte den Mann an. Julian Götz. Er hatte sich von seinem Platz hinter der Holzbrüstung erhoben und dem Richter zugewandt. Eine schwere, fast muskulöse Gestalt, ein kantiger Kopf mit einer hohen
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