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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
Autoren: Sarah Harvey
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dass eine andere Menschenseele außer ihr östlich des Tamar von dem winzigen Weiler gehört hatte, aus dem sie stammte.
    »Und wieso hat es dich hierher verschlagen?«, wollte er wissen.
    »Die Lehr- und Wanderjahre, könnte man sagen. Ich habe BWL studiert.«
    »Du bist also zum Studieren hierher gekommen?«
    »Nein, das habe ich noch in Cornwall gemacht – wahrscheinlich hat es mich dann genau deshalb in die weite Welt gezogen. Nachdem ich das Diplom in der Tasche hatte, bin ich erst mal achtzehn Monate durch Europa gegurkt, und als ich nach England zurückkam, war meine beste Freundin Nancy nach Bristol gezogen. Ich habe sie besucht, wollte ein paar Wochen bleiben, dann sah ich die Stellenanzeige für den Job hier – und der Rest ist sozusagen Geschichte.«
    »Aus ein paar Wochen wurden also ein paar Jahre, ja? Dann muss es dir hier ja gut gefallen. Finde ich gut. Ich bin ja ganz neu hier und noch grün hinter den Ohren. Kenne euch alle noch nicht richtig und frage mich, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe.«
    Er lächelte, und auf einmal ging Pip auf, dass er der Einzige war, der Fragen gestellt hatte – und sie hatte sie alle beantwortet. Dabei wollte sie ihn doch auch so viel fragen!
    »Und du?«
    »Ich?« Er stützte den einen Ellbogen auf den Tresen und sah sie aufmerksam an.
    Pips Herz setzte kurz aus. Die Frage war absichtlich sehr vage gehalten, denn das, was sie eigentlich am liebsten gewusst hätte, traute sie sich nicht zu fragen. Einerseits konnte sie es nicht leiden, um den heißen Brei zu reden, aber sie wollte ihn auch nicht direkt fragen, ob er Single war.
    »Na ja, woher kommst du denn? Bist du ein echter Londoner?«
    »Nein. Ich bin in Biarritz geboren.«
    »Du bist Franzose?« Er kam also aus dem Süden, das erklärte wenigstens seinen dunklen Teint.
    »Halb. Meine Mutter ist Französin, mein Vater stammt aus Dorset.«
    »Und wie lange hast du in Frankreich gelebt? Du hast ja gar keinen Akzent?«
    »Hatte ich früher mal. Du hättest mich mal hören sollen, als ich klein war. Ich bin in Frankreich aufgewachsen. Als ich zehn war, sind wir nach England gezogen, und dreizehn Jahre in Poole haben mir den Akzent gründlich ausgetrieben. Dann war ich noch ein paar Jahre in London. Wenn ich heute die Familie meiner Mutter in Frankreich besuche, bekomme ich zu hören, ich hätte einen Londoner Akzent, selbst wenn ich Französisch spreche. Stell dir mal vor!«
    »Und warum jetzt Bristol?«
    »Ich wollte raus aus der Großstadt, rein in eine etwas abwechslungsreichere Praxis. Nicht nur Hunde, Katzen, Hamster und so, sondern auch Pferde, Rinder und Schafe.«
    Pip hatte sein Bewerbungsschreiben und seinen Lebenslauf inzwischen mindestens acht Mal durchgelesen und wusste das natürlich alles schon, aber sie hörte ihm trotzdem gerne zu.
    Er sah auf die Uhr.
    »Ich muss los.« Er runzelte die Stirn, als passte ihm das gar nicht. »Hausbesuch. Der Parminter-Hof. Ich muss erst um halb zwei da sein, aber ich will lieber rechtzeitig los, weil ich den Weg nicht kenne.«
    »Der Parminter-Hof? Ich weiß, wo der ist. Wenn du willst, kann ich ihn dir zeigen, ich mache ohnehin Mittagspause.«
    »Das musst du doch nicht.«
    »Aber ich liebe das Land und freue mich, ab und zu mal aus der Stadt herauszukommen. Und außerdem ist es draußen bei den Parminters so schön, dass ich gerne jeden Tag dort Mittagspause machen würde!«
    »Na, hervorragend.« Er lächelte jetzt und sah sie dabei direkt an.
    »Hervorragend«, wiederholte Pip, die dabei war, in seinen grünen Augen zu ertrinken. »Äh ... ich hol dann mal eben meine Sachen.« Pip löste sich von seinem Blick. Sie hätte im Erdboden versinken mögen, aber er lächelte immer noch.
    »In zehn Minuten auf dem Parkplatz?«
    Pip nickte, und sobald er verschwunden war, schoss sie zu den Toiletten, wo sie sich die Haare bürstete, sich die Zähne mit einem Papierhandtuch abrubbelte und ziemlich genervt feststellte, dass man ihr die Aufregung ansah. Sie versuchte, ein wenig herunterzukommen, dann eilte sie zurück ins Büro, um ihre Tasche und ihre Jacke zu holen, und ertappte Maggie dabei, wie sie Dinge von ihrem eigenen Lebensmitteleinkauf in Pips Brotzeittasche warf.
    »Maggie? Was machst du da?«
    »Ich mache aus etwas langweiligen Sandwiches ein Picknick. Du weißt doch: Liebe geht durch den Magen.«
    »Ja, aber ...«
    »Nichts aber. Ich habe doch Augen im Kopf.« Maggie nickte ernst und legte noch etwas Früchtekuchen und zwei Bananen in Pips Tasche.
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