Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Angstmacher

Der Angstmacher

Titel: Der Angstmacher
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
nickten, und Dubois machte auch den Anfang. Mit staksig wirkenden Schritten näherte er sich der Tür. Als er sie aufgezogen hatte, ging auch Anni Beckers los und nahm den zweiten Platz in der Reihe ein.
    Im Gänsemarsch gingen sie über den Flur auf die Treppe zu. Ihre Tritte hinterließen Echos auf den Holzstufen, die sich, weil sie fast gleichmäßig gingen, zu einem einzigen Schall vereinigten. Die Stille des Hauses war nicht mehr vorhanden. Dr. Kimmler hatte sich in einem der unteren Räume aufgehalten.
    Als er die dumpfen Trittgeräusche hörte, stand er auf und wollte es kaum glauben. »Das kann doch nicht wahr sein«, flüsterte er, sowieso wegen des Harfenklangs irritiert. Mit zwei Schritten erreichte er die Tür. Er hatte das dringende Bedürfnis, zum Ausgang zu gehen, um zu retten, was noch zu retten war.
    Bevor er ihn jedoch erreichte, sah er bereits die Musiker die Treppe hinabsteigen.
    An der Spitze ging Gérard Dubois, ihm folgte Anni Beckers, dann kam Ivan…
    »Was wollt ihr?« rief er hoch.
    »Raus!«
    Dr. Kimmler breitete die Arme aus. »Nein, das ist nicht möglich. Ihr dürft das Haus nicht verlassen.«
    Dubois blieb stehen. »Weshalb nicht?«
    Der Dirigent wollte ihm eine rasche Antwort geben, hatte aber zuvor in das Gesicht des jungen Mannes gesehen und sich dabei erschrocken. Der Ausdruck gefiel ihm überhaupt nicht. Er war kalt, hart und auch abweisend. Gleichzeitig ließ er keinen Zweifel daran aufkommen, daß sich die Gruppe durch nichts aufhalten lassen wollte.
    »Gehen Sie aus dem Weg!« rief jemand aus dem Hintergrund.
    »Verschwinden Sie, Kimmler!«
    Der Mann rang die Hände. »Bitte, ihr müßt mir glauben. Bleibt hier. Es reicht, wenn Sinclair…«
    »Man hat uns gerufen. Hören Sie nicht auch den Klang der Harfe, Dr. Kimmler?«
    »Sicher, aber…«
    »Es gibt kein Aber mehr. Wir haben uns entschlossen, dies zu tun, und werden es auch durchhalten. Deshalb sollten Sie den Weg frei machen, oder wir…«
    Dubois reagierte als erster. Er stand auf der Treppe und somit höher als Kimmler. Blitzschnell trat er zu.
    Dr. Kimmler wollte noch ausweichen. Er war zu langsam. Der Tritt erwischte ihn am Hals, schleuderte ihn zurück. Eine Wand stoppte den Mann, der langsam an ihr herab nach unten rutschte und mit beiden Händen seinen Hals umklammerte, als wollte er sie erwürgen.
    »Wir können«, sagte Cerard.
    Jetzt war niemand mehr da, der sie noch aufhalten konnte. Dr. Kimmler lag am Boden und hatte unter den Folgen des Trittes zu leiden. Keiner verschwendete mehr an ihm einen Blick. Die Musikerstanden voll und ganz unter dem Einfluß der Harfenklänge.
    Die hintere Tür war geschlossen. Dubois stieß sie hart auf. Vor ihnen lag der Garten, in dem sie sich verteilten, aber nicht blieben, denn sie wollten unbedingt auf das Museumsgebäude.
    Sie hörten die Akkorde, und auf ihre Augen legte sich ein mattes Leuchten. Sie freuten sich darauf, ihre Kollegin wiederzusehen. Die Botschaft hatte sie erreicht, sie waren dabei, ihr zu folgen. Nur an den Angstmacher dachten sie nicht. Und sie ahnten auch nicht, daß die nächsten Stunden zu einer Blutnacht des Schreckens werden sollten…
    ***
    Ich war auf meinem weiten Weg mehr als vorsichtig. Sally Saler war ein raffiniertes Biest, ich rechnete mit fallen, mit plötzlichen Überfällen wie aus dem Nichts, aber es war nicht der Fall.
    Ohne Schwierigkeiten konnte ich tiefer in das Gelände eindringen und durchquerte auch ein kleines Waldstück. Ein ziemlich breiter Weg führte in einem nach links schwingenden Halbbogen durch den Wald. Teilweise war er sogar mit Kopfsteinen gepflastert.
    Rechts und links standen die Bäume wie eine gemalte Landschaft von Caspar David Friedrich. Groß, wuchtig, mit mächtigen Kronen versehen, durch deren Blättergarten der Wind sich seinen Weg bahnte und die Krone schimmern ließ.
    Es war dunkler geworden. Das Zwielicht war verschwunden, Schatten überwogen jetzt. Oftmals sah das Unterholz aus, als wäre es schwarz umrahmt von den Klängen des Harfenspiels.
    Es waren die Melodien alter, schwermütig klingender Lieder, von denen ich einige kannte. Volksweisen aus Irland, Wales oder Cornwall, die auch in ihren Texten die Romantik, Wildheit und Düsternis dieser Landschaften unterstrichen. Das paßte einfach hier, es war nahezu perfekt.
    Ich vernahm auch keine Tierstimmen mehr. Entweder hatten sich die Tiere der Nacht zur Ruhe begeben, oder sie hatten selbst Furcht vor den Klängen bekommen.
    Die Kurve lag endlich hinter mir,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher