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Der Amokläufer

Der Amokläufer

Titel: Der Amokläufer
Autoren: Stefan Zweig
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Matrosen, gefesselt von Neugier und Grauen; denn diese Gleichgültigkeit war irgendwie aufreizend.
    Da plötzlich fuhr ich auf, erschreckt von einem grellen Gelächter neben mir. Und gleichzeitig schwankte die Flamme: am Luftzug spürte ich, daß jemand die Tür hinter meinem Rücken geöffnet haben mußte. »Kommst du schon wieder?« höhnte grell und auf deutsch die Stimme neben mir. »Kriechst du schon wieder ums Haus, du Knauser du? Na, komm nur herein, ich tu dir nichts.«
    Ich fuhr herum, zuerst ihr zu, die so grell diesen Gruß schrie, als bräche ihr Feuer aus dem Leib, und dann zur Tür. Und noch ehe sie ganz aufgetan war, erkannte ich die schlotternde Gestalt, erkannte den demütigen Blick dieses Menschen, der vorhin an der Tür gleichsam geklebt hatte. Er hielt den Hut verschüchtert in der Hand wie ein Bettler und zitterte unter dem grellen Gruß, unter dem Lachen, das wie ein Krampf ihre schwere Gestalt mit einem Male zu schüttern schien und von rückwärts, vom Schanktisch, mit raschem Geflüster der Wirtin begleitet wurde.
    »Dort setz dich hin, zur Françoise«, herrschte sie den Armen an, als er jetzt mit einem feigen, schlurfenden Schritt näher trat. »Du siehst, ich habe einen Herrn.«
    Deutsch schrie sie ihm das zu. Die Wirtin und das Mädel lachten laut, obwohl sie nichts verstehen konnten, aber sie schienen den Gast schon zu kennen.
    »Gib ihm Champagner, Françoise«, den teuern, eine Flasche«, schrie sie lachend hinüber, und wieder höhnisch zu ihm: »Ists dir zu teuer, so bleib draußen, du elender Knicker. Möchtest mich wohl umsonst anstarren, ich weiß, du möchtest alles umsonst.«
    Die lange Gestalt schmolz gleichsam zusammen unter diesem bösen Lachen, der Buckel schob sich schief empor, es war, als wollte das Gesicht sich hündisch verkriechen, und seine Hand zitterte, als er nach der Flasche griff, und verschüttete den Wein im Eingießen. Sein Blick, der immer aufwollte zu ihrem Gesicht, konnte nicht weg vom Boden und tastete dort im Kreise den Kacheln nach. Und jetzt sah ich erst deutlich unter der Lampe dies ausgemergelte Gesicht, zermürbt und fahl, die Haare feucht und dünn auf beinernem Schädel, die Gelenke lose und wie zerbrochen, eine Jämmerlichkeit ohne Kraft und doch nicht ohne Bösartigkeit. Schief, verschoben war alles in ihm und geduckt, und der Blick, den er jetzt einmal hob und gleich wieder erschreckt zurückwarf, gekreuzt von einem bösen Licht.
    »Kümmern Sie sich nicht um ihn«, herrschte mich das Mädel auf französisch an und faßte derb meinen Arm, als wollte sie mich herumreißen. »Das ist eine alte Sache zwischen mir und ihm, ist nicht von heute.« Und wieder mit blanken Zähnen, wie zum Bisse bereit, laut zu ihm hinüber: »Horch nur her, du alter Luchs. Möchtest hören, was ich rede. Daß ich eher ins Meer gehe als mit dir, habe ich gesagt.«
    Wieder lachten die Wirtin und das andere Mädel, breit und blöde. Es schien ein gewohnter Spaß fürsie, ein alltäglicher Scherz. Aber mir wars unheimlich, jetzt zu sehen, wie sich dies andere Mädel plötzlich in falscher Zärtlichkeit an ihn drängte und ihn mit Schmeicheleien abgriff, vor denen er erschauerte ohne den Mut, sie abzuwehren, und ich erschrak, wenn sein Blick im Auftaumeln mich traf, ängstlich verlegen und kriecherisch. Und mir graute vor dem Weib neben mir, das plötzlich aus ihrer Schlaffheit aufgewacht war und so voll Bosheit funkelte, daß ihre Hände zitterten. Ich warf Geld auf den Tisch und wollte fort, aber sie nahm es nicht.
    »Geniert er dich, dann werfe ich ihn hinaus, den Hund. Der muß parieren. Nimm noch ein Glas mit mir. Komm!«
    Sie drängte sich heran mit einer jähen, fanatischen Art von Zärtlichkeit, von der ich sofort wußte, daß sie nur gespielt war, um jenen anderen zu quälen. Bei jeder dieser Bewegungen sah sie rasch schief hinüber, und es war mir widerwärtig zu sehen, wie bei jeder ihrer Gesten zu mir es in ihm zu zucken begann, als spürte er Brandstahl an seinen Gliedern. Ohne auf sie zu achten, starrte ich einzig ihn an und schauerte, wie etwas jetzt in ihm wuchs von Wut, Zorn, Neid und Gier, und sich doch gleich niederduckte, wandte sie nur den Kopf. Ganz nahe drängte sie sich nun zu mir, ich spürte ihren Körper, der zitterte von der bösen Lust dieses Spiels, und mir graute vor ihrem grellen Gesicht, das nach schlechtem Puder roch, vor dem Dunst ihres mürben Fleisches. Sie von meinem Gesicht abzuwehren, griff ich nach einer Zigarre, und während mein
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