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der Agentenschreck

der Agentenschreck

Titel: der Agentenschreck
Autoren: Dorothy Gilman
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Wohnzimmer. Das war zwar ziemlich unverschämt, aber sie hatte bereits den Eindruck gewonnen, daß Mr. Bemish nicht mehr völlig Herr über seine Sinne sei. »Über einen Job.
    Als Fremdenführer für mich. Für ein paar Tage.«
    Rechts wurde eine Tür zugezogen. Vorher aber hatte Mrs. Pollifax noch flüchtig eine unscheinbare kleine Frau gesehen, die rasch verschwunden war. Eine Putzfrau vielleicht, obwohl die Wohnung aussah, als sei hier seit Jahren nicht mehr geputzt worden.
    »Daran habe ich nicht das leiseste Interesse«, sagte Carleton Bemish und kam ihr ins Zimmer nach. »Ich bin anderweitig beschäftigt. Sehr sogar.«
    Und er verdient gut dabei, dachte Mrs. Pollifax, als sie den schweren runden Tisch in der Zimmermitte betrachtete. Darauf stand ein silberner Kübel, aus dem eine Sektflasche ragte.
    Ein etwas unpassender Anblick in diesem verwohnten Raum.
    Automatisch sagte sie: »Verzeihen Sie. Sie erwarten jemand?«
    »Selbstverständlich erwarte ich jemand, gute Frau«, sagte er herablassend und wippte dabei auf den Fersen auf und ab. »Ein Mann wie ich hat viele einflußreiche Freunde. Viele. «
    Ihr Blick fiel auf die Couch neben dem Tisch. Mehrere lange weiße Pappkartons lagen auf der Couch. Aus einem quoll schimmernd ein Morgenrock aus Brokat hervor. Er bemerkte ihren Blick und strahlte. »Nicht übel, wie?« Damit zog er den Morgenrock aus dem Karton und hielt ihn hoch. »Endlich haben sie gelernt, Carleton Bemish zu schätzen. Sehen Sie doch — reine Seide!«
    »Oh, Sie haben ein Vermögen geerbt«, riet Mrs. Pollifax.
    Er warf sich den Morgenrock um die Schultern und blinzelte ihr zu. »Was ich geerbt habe, sind Schlagzeilen. Die fettesten, die es gibt. Und ich habe die Story selbst eingefädelt. Ich komme mir vor wie der liebe Gott!« Er trat dicht an Mrs. Pollifax heran. Der Morgenrock schleifte wie eine Schleppe hinter ihm her. Sein Atem roch nach Alkohol. »Die Zeiten sind vorbei, wo sie mich ›den guten, alten Bemish‹, ›den braven, alten Bemish‹ nannten. Jetzt behandeln sie mich mit Respekt, das kann ich Ihnen sagen.« Zufrieden tippte er gegen seine Stirn. »Köpfchen. Das braucht man heutzutage, Mrs. — wie war doch der Name?«
    »Pollifax.«
    »Ich bin heute nicht mehr einfach zu haben. Verstehen Sie?«
    Mrs. Pollifax seufzte. »Schön. Sie legen also keinen Wert auf Gelegenheitsarbeiten. Dann werde ich eben wieder gehen. Und auf Ihre Schlagzeilen warten.«
    Er grinste stolz. »Der Artikel trägt meinen Namen. Er ist schon unterwegs. Nach London, Paris und New York. Nur in Sofia wird er nicht veröffentlicht. Jammerschade.«
    Mrs. Pollifax hatte das eitle Gewäsch satt und ging zur Tür.
    Plötzlich versperrte er ihr den Weg. Seine Stimmung war umgeschlagen. »Augenblick«, fragte er mißtrauisch. »Wer sind Sie, haben Sie gesagt?«
    »Mrs. Pollifax«, seufzte sie. »Ich wollte Sie als Fremdenführer —«
    »Ja, ja, ich erinnere mich«, sagte er beruhigt.
    Es klopfte an der Tür. »Mein Besuch«, sagte Carleton Bemish glücklich, riß die Tür auf und begrüßte den Mann auf bulgarisch, der von der Lampe des Treppenhauses hell beleuchtet wurde. Sein Gesicht war deutlich zu sehen. Mrs. Pollifax sah ihn überrascht an. Sie kannte ihn. Er jedoch betrachtete sie nur mit kaum verhüllter Ungeduld und wandte sich an Bemish, mit dem er sehr rasch bulgarisch sprach.
    Sie kannte ihn, aber woher? Er war jung, sehr dunkel, stämmig und breitschultrig. »Der Belgrader Flugplatz«, sagte sie laut.
    Der junge Mann sah sie an. »Wie, bitte?«
    »Sie sind Nikki!« stellte sie überrascht fest. »Sie waren in Philips Gruppe. Wie hieß er nur?
    Philip Trenda?«
    Carleton Bemish riß den Mund auf. Ungläubig wandte er sich Nikki zu.
    »Oh?« sagte Nikki und zog die dichten Augenbrauen hoch. »Sie waren vielleicht dort?«
    fragte er geistesgegenwärtig.
    »Genau«, sagte sie herzlich. »Und später sah ich, daß die Polizei Ihre Gruppe vom Zoll wegführte und wollte zu Ihnen kommen und...« Sie brach ab. Die Luft knisterte förmlich vor Entsetzen. Carleton Bemishs Augen wurden immer runder und größer, während Nikkis Augen sich verengten. »Aber — es ist doch alles in Ordnung?« fragte sie lahm. »Man hat Ihnen keine Schwierigkeiten bereitet?«
    Nikki verneigte sich hölzern. »Ein kleines Mißverständnis, nichts weiter.« Neugierig sah er sie an. »Sie sagen, daß Sie Philip kannten?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Wir haben auf dem Flugplatz bloß kurz, aber sehr angeregt zusammen geplaudert.
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