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Der 7. Tag (German Edition)

Der 7. Tag (German Edition)

Titel: Der 7. Tag (German Edition)
Autoren: Nika Lubitsch
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Kopf abzureißen. Ganz offensichtlich habe ich es nicht
geschafft. Wenn ich es überhaupt versucht habe.
    Deckenbrock wird mein Küchenmesser vorgelegt. Ob es sich
dabei um die Tatwaffe handeln könne, fragt die Vorsitzende Richterin. 
    Ich ertrage das nicht mehr lange, der Deckenbrock soll
aufhören. Aufhören, bitte. Ich konnte noch nie Blut sehen. Die Zuhörer scheinen
ganz fasziniert zu sein von diesem Schlachtfest. Was für ein Ende des berühmten
Berliner Anwalts Michael Thalheim.
    In einer Ecke sitzt ein Zeichner, der jede einzelne Linie in
meinem Gesicht zu erfassen sucht. Wie schaut man jetzt am besten? Unschuldig!
Aber wie sieht unschuldig aus? Ich, die es gewohnt bin, ein Gesicht zu machen,
weiß plötzlich nicht mehr, wie ich schauen soll. Aber eigentlich ist es auch
egal. Sollen sie doch schreiben, was sie wollen. Sollen sie doch reden. Mich
kann man nicht mehr verletzten.
     
    Meine Beziehung mit Michael begann Ende Oktober. Ulli und
Michael hatten die Einweihung ihrer neuen Büroräume gefeiert. Michael stand in
einer Ecke seines Büros, hielt lässig ein Sektglas in der Hand und plauderte
mit Mandanten. Dabei ließ er mich nicht eine Sekunde aus den Augen. Ich spürte
den intensiven Blick seiner grau-grünen Augen mit jeder Faser meines Körpers.
Während Ulli mich allen als seine Freundin vorgestellt hat, stand ich total
neben mir. Es war noch recht früh am Abend, viel zu früh, um seine eigene
Einweihung zu verlassen, als Michael mit diesem unglaublichen Blick auf mich
zukam. Er stellte sein Sektglas ab, nahm meine Hand und sagte nur ein Wort:
„Komm‘“.
    Im Fahrstuhl zog er mich an sich und küsste mich, wie mich
noch nie zuvor ein Mann geküsst hatte.
    Wir blieben lange in diesem Fahrstuhl. Michaels zärtliche
Hände waren überall auf meinem Körper und ich zerfloss bei seinen Berührungen.
Später im Taxi lag ich in seinen Armen und heulte hemmungslos. Er küsste jede
einzelne Träne weg, knöpfte meine Bluse zu und lächelte dieses jungenhafte
Lächeln, das ich so sehr geliebt habe. Als wir endlich in seiner Dachwohnung in
der Suarezstraße angelangt waren, gab es nichts mehr, was uns zurückgehalten
hätte.
     
    Mein Starverteidiger versucht, Dr. Deckenbrock zu entlocken,
dass die Stiche von einer Frau nur in rasender Wut ausgeführt werden konnten.
Er versucht zu beweisen, dass das Opfer sich gewehrt haben muss. Er fragt, ob
Spuren eines Kampfes an Michael Thalheim gefunden worden seien. An mir waren
keine Spuren gefunden worden, abgesehen von dem Blut, das ich mir in die Haare
geschmiert hatte.
    Sei vorsichtig Ulli, du bewegst dich da auf dünnem Eis. Denn
wenn das Opfer sich nicht gewehrt hat, spricht alles dafür, dass das Opfer den
Täter sehr gut gekannt hat. Dr. Deckenbrock verliert sich in langatmigen
Schilderungen über die Funde unter den Fingernägeln von Michael. Richter
Pumuckel stellt Zwischenfragen, die Deckenbrock aus dem Konzept bringen. Das
Publikum fängt an, sich zu langweilen. Gut gemacht, Ulli.
     
    Gabi hat mir erst viel später gestanden, dass sie von
unserem ersten Tag in Timmendorf an in Ulli verliebt gewesen war. Wie gut sie
sich beherrschen kann. Ich jedenfalls habe wirklich nichts gemerkt. Erst
nachdem ich ihr im „Lenz“ mein Herz ausgeschüttet hatte war sie zum
Frontalangriff übergegangen.
    Am Sonntagabend nach der Büroeinweihung hatten Michael und
ich uns auf die Suche nach Spaghetti Carbonara, Thunfischsalat und anderen
Protein-haltigen Dingen begeben. Wie die Kinder sind wir Hand in Hand durch das
nasse Laub die Suarezstraße heruntergeschlittert. Im Ristorante Stella alpina
habt ihr gesessen, engumschlungen. Ein schönes Paar: Ulli mit dem markanten
Kinn und den dunklen Haaren und Gabi mit ihrer rotblonden Mähne, den blau-grünen
Augen und den zarten Gliedern. Wir haben uns ein paar Sekunden fassungslos
angestarrt. Und dann haben wir herzlich gelacht und uns in den Armen gelegen.
Alles war richtig.

Tageszeitung:

Lichtenrader
Küchenmesser-Mord vor Gericht  
    „Erwartet nicht, dass ich lächle .“
     
    Berlin - Madonnenscheitel und Rehaugen: Sieht so
eine brutale Mörderin aus? Darum geht es bei einem Aufsehen erregenden Prozess
vor dem Schwurgericht Berlin. Sybille Thalheim (38) aus Berlin-Zehlendorf wird
vorgeworfen, ihren Ehemann Michael (48)im vergangenen Februar mit einem Küchenmesser
erstochen zu haben. Vorsätzlicher Mord oder Tötung im Affekt? Und so sah es am
ersten Prozesstag der amtliche Leichenbeschauer Dr. Peter D. (48) aus
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