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Denn Wahrheit musst du suchen

Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Denn Wahrheit musst du suchen
Autoren: C. J. Daugherty
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vertrauen können. All das war nur ihretwegen passiert und wegen der Auseinandersetzung mit ihrem Bruder, die Allie nicht mal verstand. Sie alle waren mit hineingezogen worden, und Jo hatte dafür bezahlen müssen.
    Raj vertraute sie auch nicht mehr. Er war für die Sicherheit der Schule verantwortlich gewesen. Angeblich war er ja der große Experte für so was. Trotzdem war er weggefahren und hatte sie allein gelassen, obwohl Allie ihn noch angefleht hatte, dazubleiben.
Angefleht
hatte sie ihn. Aber er war nicht da gewesen, als irgendwer aus der Schule – jemand, den Allie kannte und dem sie vertraute – das Tor geöffnet und Gabe ermöglicht hatte, Jo umzubringen.
    Sie machte eine schmerzhafte Spitzkehre, die Wut trieb sie an.
    In den acht Wochen, die seit dem Mord vergangen waren, hatten Raj und Isabelle nicht herausgefunden, wer in jener Nacht das Tor geöffnet hatte. Wer Nathaniel die ganze Zeit geholfen hatte. Irgendein Lehrer, ein Night-School-Ausbilder, ein Schüler – irgendwer, dem sie Tag für Tag im Flur begegnete, wollte, dass sie starb.
    Und die beiden hatten nichts dagegen getan.
    Alle haben mich im Stich gelassen. Alle haben uns verraten. Das lasse ich nicht noch mal zu.
    Abrupt blieb sie stehen. Plötzlich wusste sie, was zu tun war.
    Sie riss die schwere Tür auf und rannte schnurstracks zu Isabelles Büro – so schnell sie konnte, damit sie nicht schon vorher ausrastete. Sie wollte der Rektorin sagen, dass sie hier nicht mehr zur Schule gehen wollte. Dass sie so nicht weitermachen konnte. Sie musste irgendwohin, ganz egal wohin, nur möglichst weit weg von hier. Draußen in der realen Welt konnte sie herausfinden, was wirklich vor sich ging. Sie würde mit ihrer Großmutter sprechen und gemeinsam mit ihr Jos Mörder ausfindig machen. Und sie würden sie bestrafen.
    Versteckt unter der mit Schnitzereien verzierten Eichentreppe, die in theatralischem Schwung aus dem Hauptflur in den ersten Stock hinaufführte, war die Tür zu Isabelles Büro so geschickt in die Wandtäfelung eingelassen, dass Allie damals, als sie zum ersten Mal dorthin wollte, Mühe gehabt hatte, sie zu finden. Dieses Problem hatte sie mittlerweile nicht mehr.
    Wild entschlossen stieß sie die Tür auf, ohne anzuklopfen. »Isabelle, ich werde …«
    Das Büro war leer.
    Offenbar hatte die Rektorin es in großer Hast verlassen – die schwarze Kaschmirjacke, die sie zuvor angehabt hatte, lag achtlos über eine Sessellehne geworfen da, auf dem Schreibtisch neben ihrer Brille stand mitten auf der schwarzledernen Kladde eine Tasse Earl Grey, die noch dampfte …
    Und dann lag da auch noch ihr Handy.
    Mit offenem Mund starrte Allie darauf. Ihr Gehirn hatte Mühe zu verarbeiten, was ihre Augen sahen.
    In Cimmeria waren elektronische Geräte tabu. Von allen Hausregeln wurde diese am striktesten angewandt. Keine Computer, keine Fernseher – und auf gar keinen Fall Handys.
    Wollte ein Schüler telefonieren, musste er die Rektorin um Erlaubnis fragen. Einzig und allein Gespräche mit den Eltern waren erlaubt, und auch diese nur mit triftigem Grund.
    Und doch lag jetzt hier ein Handy vor ihr.
    Wie gebannt starrte Allie darauf und ging in Gedanken rasch die möglichen Konsequenzen eines Diebstahls durch. Isabelle würde ihr nie verzeihen. Sie würde der Schule verwiesen werden. Sie würde ihre Freunde verlieren. Andererseits konnte sie so vielleicht herausfinden, was wirklich vor sich ging. Und dadurch Isabelle und Raj nötigen, endlich etwas zu unternehmen.
    Langsam streckte sie die Hand aus, nahm das Handy, steckte es in die Tasche und verließ das Büro.

[zurück]

Drei
    Außerhalb von Cimmeria stand der Wald dichter; die Strahlen der Nachmittagssonne drangen nicht bis zum Boden, hier war es bereits dunkel, und Allie schaute sich immer wieder beunruhigt um, während sie durch diese Düsternis eilte.
    Bei jedem Schritt redete sie sich ein, dass sie das Richtige tat. Nathaniel musste irgendwo hier draußen sein und ihr auflauern, aber das war ihr inzwischen längst egal. So erschöpft war sie, so wütend, so gebrochen … Hierbleiben war keine Option. Sie musste fort.
    Doch sie war sich noch nie so ausgeliefert vorgekommen. Sie war nun völlig allein. Jos Mörder konnten überall sein.
    Es herrschte eine unerträgliche Stille, unterbrochen nur ab und zu vom Knacken trockener Äste unter ihrem Fuß. Die Sonne ging allmählich unter, und es wurde merklich kälter. Der schneidende Wind fuhr durchs Gewebe ihrer Jacke und ließ den
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