Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld
Autoren: Adele Marini
Vom Netzwerk:
Wenn sie noch wesentlich länger zusammen eingesperrt waren, würden sie demnächst mit dem Messer aufeinander losgehen. Zum Glück löste sich der Stau an der Abzweigung nach Valleambrosa ein wenig auf.
    »Nee, also wirklich, da mach ich nicht mit.«
    »Dann bist du wohl lebensmüde.«
    »Jetzt red keinen Scheiß. Ich werd doch wohl noch mal nein sagen können …«
    »Nein, mein Lieber, das kannst du nicht. Und wenn du denkst, du kannst mich in Schwierigkeiten bringen, dann heißt das nur, dass du mich nicht wirklich kennst.«
    Eine nervige Schnulze ertönte aus den Lautsprechern. Gigi d’Alessio schluchzte etwas von »Mieeele« und »Saaale« und man wäre am »Maaare« …
    »Und stell endlich dieses verdammte Gejaule ab!«
    »Dieses verdammte Gejaule, wie du es nennst, gefällt mir nun mal, und das hier ist mein Auto. Wenn dir das nicht passt, kannst du gerne aussteigen.«
    »Oh nein, ich werde jetzt nicht aussteigen. Du hast doch darauf bestanden, dass ich mitkomme, oder? Dann musst du es jetzt auch mit mir aushalten. Ich sage dir noch einmal: Ich mach da nicht mit. Du kannst gerne meinen Anteil kassieren, aber lass mich da außen vor.«
    »Wollen wir wetten, dass du nicht außen vor bleibst?«
    »Aber was soll ich denn machen, wenn mir das nun mal absolut gegen den Strich geht? Hier geht’s nicht darum, ein bisschen Koks zu verticken! Du bist verrückt. Ihr seid alle verrückt! Das ist doch ein … Und dann … Nein, nein, nein und noch mal nein. Doch nicht die Kleine!«
    »Sei bloß still. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dein verfluchtes Maul halten sollst, du verdammter Idiot!«
    »Aber hier sind doch bloß wir beide, sonst keiner!«
    »Von wegen nur wir beide! Du kannst nie wissen, wer gerade zuhört, wenn du was sagst. Du musst lernen, dein Maul zu halten, wenn du deine Kinder aufwachsen sehen willst.«
    »Aber ich hab doch gar keine!«
    »Und das ist auch gut so, denn wenn du weiter so ein Zeug quatschst, lebst du nämlich gar nicht lang genug, um welche in die Welt zu setzen. Jetzt hör gut zu, denn ich werde es dir kein zweites Mal mehr sagen: Wenn du nicht aufpasst, kann dein Vater demnächst was über dich in der Zeitung lesen, genau, das kann der!«
    »Was soll das denn jetzt? Drohst du mir etwa? Meensch, jetzt hab ich aber Angst!«
    »Nein, ich rück dir bloß den Kopf zurecht! Zum letzten Mal: Du solltest dich lieber nicht so anstellen. Das muss schnell über die Bühne gehen, spätestens nächste Woche. Und wir müssen das unter uns ausmachen. Nur ich und du, du und ich. Da gibt es kein Aber. Du machst deinen Job, Bürschchen, und dann kein Wort darüber. Ist das klar? Und du nimmst genauso viel Risiko auf dich … So ein Scheißverkehr! Wo soll ich dich rauslassen?«
    »Fahr noch da vorne bis zur Ampel … Jetzt halt an. Ich bin da.«
    »Is’ gut. Und denk daran, was ich dir gesagt habe. Bis heute Abend.«
    »Ja, in der Via delle Pioppe …«
    »Und wenn du mich noch mal warten lässt wie das letzte Mal, setzt es gleich was. In der Gegend stinkt es gottserbärmlich.«
    »Is’ ja gut, ciao.«
    Mit quietschenden Reifen fuhr der Fiat Punto wieder los und wäre wenige Meter später um Haaresbreite von einem Ford Focus gerammt worden.
     
    Rozzano: eine größere Gemeinde im Hinterland Mailands. Die ortsansässigen Chicos nennen es »RozzAngeles«. Und lassen sich auf den Arm tätowieren: »Ich bin Amerikaliano aus RozzAngeles«. Oder: »Born in RozzAngeles«. Und die größten Zyniker: »Fucking in RozzAngeles«.
    Durch den Ort verlief eine unsichtbare Grenze - auf der einen Seite schäbige, verwinkelte Viertel, in denen man verloren war, wenn man sich verirrte, auf der anderen schöne, großzügig angelegte Häuser mit einem ordentlichen Gärtchen. Möchtegerneleganz von protzigen Wohnanlagen neben deprimierenden Plattenbauten, gepflegte Grünanlagen versus räudige Vorgärtchen, in denen das Gras schon krank aus dem Boden spross. Rozzano war der verkörperte Gegensatz. Schwarz und weiß, Licht und Schatten, Himmel und Hölle.
    In der Via delle Pioppe gab es allerdings nichts als Hölle.
    Eigentlich gehörte diese Sackgasse noch zum Stadtgebiet von Mailand, denn das Ortsendeschild stand einige Meter hinter dem Straßenanfang. Wer in dieser nur teilweise asphaltierten Straße, an deren Ende eine illegale Müllkippe lag, einen festen Wohnsitz hatte, betrachtete sie bereits als zu Rozzano gehörig.
    Für die vielen Menschen, die hier in ausgemusterten Wohnwagen oder Autowracks Unterschlupf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher