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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld
Autoren: Adele Marini
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fanden, war das Niemandsland.
    Und wer aus Versehen in diese Straße einbog und sie ganz bis zum Ende lief, sah in ihr ein heruntergekommenes, stinkendes Loch, in dem es nicht einmal am Tag richtig hell wurde, weil die Brücke der Umgehungsstraße darüber hinwegführte, und Ratten und Drogensüchtige in fröhlicher Gemeinschaft lebten, während sie sich ungestört paarten - also die Ratten jedenfalls - oder sich einen Schuss setzten - die Drogensüchtigen -, all dies im Schein der letzten Leuchtreklame, die die Grenze zwischen der Zivilisation und dem Niemandsland markierte.
    »Bar Dany«. »Bar Dny«.
    Das »a« der pinkfarbenen Leuchtreklame über der Tür des ziemlich schmierigen Lokals fiel öfter aus.
    Während der Öffnungszeiten, also von sieben Uhr morgens bis um elf Uhr abends, konnte man durch ein verdrecktes Fenster einen Blick in das Innere werfen - abgenutzte Resopaltische, eine Theke mit der alten Kaffeemaschine von Cimbali zur Linken und das Regal mit den Spirituosen dahinter.
    Auf den Flaschen keine Markennamen, alles Billigware. Ein schäbiger Ort für erbärmliche Leute, das war die Bar Dany .
    Zumindest wirkte sie so.
    Man musste schon in dieser finstersten Peripherie im Südosten Mailands geboren sein und ein absolut unwiderstehliches Verlangen nach einem Kaffee haben, um dort einzukehren. Und doch gab es das Dany schon seit Ende der Sechzigerjahre, es war praktisch genauso alt wie die balkonlosen Betonklötze mit den scheinbar willkürlich angeordneten Fenstern, die planlos auf jedem verfügbaren Quadratmeter Boden hochgezogen wurden, ehe das Überbrückungsgesetz von 1967 die Bauwut der Nachkriegszeit ein wenig bremste. Seit damals hatte sich in der Bar nichts verändert.
    Sie war so trostlos, dunkel, heruntergekommen und dreckig geblieben, als sollte sie sich nicht von dem Gebäude abheben, in dem sie untergebracht war. Oder von all den anderen Wohnhäusern rundherum.
    Legaler Umsatz: die Einnahmen durch ein paar Gläschen Weißwein und ein paar Tassen Espresso. Illegaler Umsatz: jede Woche einige hunderttausend Euro. Und zwar so viel Geld, dass der Wirt, der kaum mehr als ein Strohmann für den eigentlichen Eigentümer war, zunächst ein ganzes Wohnhaus aufkaufen konnte, wobei er die Wohnungen auf die Namen zahlreicher Verwandter eintragen ließ, von denen schon einige auf dem nahe gelegenen Friedhof lagen, und nun seit mehreren Jahren ziemlich viel Geld zu Wucherzinsen verlieh und dadurch zahlreiche verzweifelte Schuldner in der Hand hatte.
    Es existierten viele Lokale dieser Art am äußersten Rand von Großstädten. Schmutzige Läden, die als Tarnung für alle möglichen illegalen Geschäfte dienen.
    Die Bar Dany war anders.
    Genau wie die nächtliche Kundschaft, die das in mehrere, sauber voneinander getrennte Räumlichkeiten ausgebaute Kellergeschoss aufsuchte, zu dem man nur über die schmalen Stufen einer gut verborgenen Wendeltreppe Zugang hatte.
    Wer sich hier an einem wackeligen Geländer festhielt und hinunterwagte, betrat einen großen Raum, der ein illegales Spielkasino beherbergte. Hier gab es alles: Glücksspiel, aber auch Wetten einschließlich verbotener Hundekämpfe. Außerdem illegale Fußballwetten und Drogen.
    Wenn dieses improvisierte Vorstadtspielkasino seine Pforten öffnete, was man den Gästen über ein vereinbartes Zeichen mitteilte, sah man hier Lederjacken in demokratischer Zweisamkeit mit Kaschmirblazern, speckige Kappen neben Borsalinohüten, ausgelatschte Halbschuhe neben schicken Mokassins von Tod’s .
    Schwarzer Anzug war hier nicht vorgeschrieben.
    Unter den nächtlichen Besuchern des Dany wurden keine sozialen Unterschiede gemacht - Neureiche waren ebenso willkommen wie solche, die noch auf das große Geld warteten, solange sie gut gefüllte Taschen hatten.
    Die Spieler kamen gegen dreiundzwanzig Uhr dreißig, kurz vor der regulären Sperrstunde. Sie tranken ein Glas am Tresen und warteten auf das vereinbarte Zeichen. Ein Wink vom Wirt und einer nach dem anderen verschwand nach hinten, als müsste er dringend auf die Toilette. Dort wurden sie dann von der Wendeltreppe verschluckt, die tagsüber unter einer großen Bodenluke verborgen war.
    Im großen Spielsaal roch es wie früher in einem Vorstadtkino, nach abgestandenem Zigarettenqualm, Brillantine, Staub und Schweiß, denn die Klimaanlage reichte nicht aus, um für frische Luft zu sorgen. Dafür war es hier sauber. An den wie üblich mit grünem Filz bespannten Spieltischen standen bequeme Sessel, die
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