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Denn das Glueck ist eine Reise

Denn das Glueck ist eine Reise

Titel: Denn das Glueck ist eine Reise
Autoren: Caroline Vermalle
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das war seit der Operation etwas schwach, aber es war wie mit dem Knie, der Blase und dem Rücken. Man musste sich nur an die Gebrauchsanweisungen halten und sich die richtigen Rezepte verschreiben lassen, und dann ging es schon.
    Georges ließ sich auf seinen alten Gartensessel aus Plastik fallen, der ganz unter Stoffüberwürfen verschwunden war. Es war nicht etwa so, dass es ihm an Geld gefehlt hätte, um sein Wohnzimmer richtig zu möblieren. Geld war für Monsieur Nicoleau kein Problem. Er hatte mehr, als er jemals brauchen würde. Es war nicht die Metzgerei, die er über vierzig Jahre besessen hatte, die ihm sein Vermögen eingebracht hatte, obwohl sie dazu beigetragen hatte, denn sie lief gut, diese kleine Metzgerei. Georges Nicoleau hatte immer in Häuser und Grundstücke investiert und sie zu Zeitpunkten gekauft und wieder verkauft, die auch nicht schlechter waren als andere. Doch vor allem lebte er bescheiden und sparte viel. An Geld mangelte es ihm nicht, aber er hatte niemals einen so bequemen Sessel gefunden wie diesen.
    Er dachte über das Problem nach, und um seine Gedanken besser ordnen zu können, nahm er die Fernbedienung, die auf der Fernsehzeitschrift TéléStar lag, in die Hand und schaltete den Fernseher ein. Da er die wichtigen Meldungen um 20.00 Uhr verpasst hatte, schaute er sich nun den Regionalteil der Nachrichten um 20.30 Uhr an. Im Grunde zog er diesen Teil sogar den ernsten Themen vor, denn zu Beginn der Sendung sprach man immer öfter von einer Welt, die ihm fremd geworden war. Er dachte wieder an Adèle und betrachtete seinen kleinen Koffer, der neben der Wohnzimmertür stand. In exakt einer Woche wollten sie aufbrechen. Diesen Koffer – jetzt erinnerte er sich wieder – hatte er 1985 in Biarritz gekauft. Schau an, das war ja genau das Jahr, in dem Adèle geboren wurde! Er hatte noch überlegt, einen neuen zu kaufen, einen modernen mit Rollen, der sicherlich praktischer wäre. Aber er hatte nicht vor, viel damit zu laufen, und es wäre vielleicht auch Verschwendung, denn dieser hier war immer noch so gut wie neu. Und da er kein Erinnerungsstück mit auf die Reise nahm, würde eben der Koffer als kleines Andenken an zu Hause dienen.
    Die Titelmelodie der Wettervorhersage riss ihn aus seinen Träumen. Im selben Augenblick hörte er in der Garage Charles’ vertraute Schritte. Georges’ Haus hatte eine hübsche Eingangstür, die zu beiden Seiten von Blumen, kleinen Kieselsteinen und sogar einem Gartenzwerg gesäumt war. Charles jedoch, der seit dreißig Jahren sein Nachbar war, kam immer durch die vollgestellte Garage und quälte sich mit seiner kaputten Hüfte an Kartons, Rechen, Eimern und dem ganzen Krempel vorbei, der die Wände und sogar einen Teil der Decke stützte. So war es eben.
    Als Charles eintrat, den Blick auf den Fernseher gerichtet, streckte er Georges die Hand entgegen, die gleiche Geste wie seit dreißig Jahren. Georges ergriff sie, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. Eine Moderatorin fuchtelte mit den Armen vor einer Landkarte Frankreichs herum, die mit großen Sonnen übersät war.
    »Sieh an! Morgen gibt es also wieder keinen Regen!«, rief Charles, der die Landwirtschaft vor vielen Jahren komplett aufgegeben (wenn man von ein paar Hühnern auf dem Hof und dem Pony seiner Urenkelin in dem alten Pferdestall absah), die Angst vor Trockenheit jedoch beibehalten hatte.
    »Schönes Wetter auf der ganzen Strecke. Und vor allem nicht zu warm.«
    »Ja, außer in Pau. Da sieht es aus, als könnte es ein Unwetter geben. Aber gut, das kann sich auch noch ändern, wir sind ja noch nicht da.«
    Charles ging auf das alte Buffet zu und nahm die Tassen heraus.
    »Mist«, sagte Charles und presste eine Hand auf seine Hüfte. Sie macht ihm zu schaffen, diese Hüfte, dachte Georges, und das, obwohl er noch jung ist, gerade mal sechsundsiebzig.
    Sein Nachbar war ein kleiner, untersetzter Mann mit einem runden, kahlen Kopf, den roten Wangen eines Landwirts und kräftigen Händen, denen man ansah, dass sie richtig zupacken konnten. Er trug eine Brille aus den Sechzigern und hatte die ehrliche Miene eines Mannes, auf den man sich verlassen konnte. Und das war nicht nur eine Miene, die er aufsetzte, nein, auf Charles Lepensier konnte man sich wirklich verlassen.
    Georges zögerte, mit ihm über Adèle zu sprechen. Schließlich schnitt er das Thema dennoch an.
    »Du hast recht, Charles, noch sind wir nicht da. Ich weiß nicht mal, ob wir überhaupt eines Tages da sein werden. Es
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