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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
Autoren: Dan Ariely
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Geheimnis kennen, sollten Sie aber vorsichtig sein: Wenn ein Ihnen äußerlich ähnlicher, aber besser aussehender Freund beziehungsweise eine solche Freundin Sie bittet, ihn oder sie demnächst abends zu begleiten, könnte sich die Frage stellen, ob Sie der angenehmen Gesellschaft wegen oder bloß als Köder eingeladen werden.
     
    Die Relativität hilft uns bei der Entscheidungsfindung. Sie kann uns aber auch zutiefst unglücklich machen. Warum? Weil Missgunst und Neid daraus erwachsen können, wenn wir unser Leben mit dem anderer Menschen vergleichen.
    Schließlich mahnen die Zehn Gebote aus gutem Grund: »Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.« Dieses Gebot zu befolgen dürfte am allerschwierigsten sein, denn schließlich sind wir von Geburt an darauf gepolt, Vergleiche anzustellen.
    Das moderne Leben lässt diese Schwäche noch deutlicher hervortreten. Vor ein paar Jahren zum Beispiel traf ich einen Topmanager einer der großen Investmentfirmen. Im Verlauf unseres Gesprächs erzählte er von einem seiner Mitarbeiter, der sich kürzlich bei ihm über sein Gehalt beklagt habe.
    »Wie lange sind Sie schon bei uns?«, fragte der Manager den jungen Mann.
    »Drei Jahre. Ich habe direkt nach dem College hier angefangen«, antwortete er.
    »Und wie viel hatten Sie sich vorgestellt, in drei Jahren zu verdienen?«
    »Hunderttausend, hatte ich gehofft.«
    Der Manager sah ihn erstaunt an.
    »Aber Sie verdienen jetzt doch fast dreihunderttausend, warum beklagen Sie sich dann?
    »Na ja«, stammelte der junge Mann. »Es ist nur – ein paar von den Kollegen neben mir, sie sind auch nicht besser als ich und kriegen dreihundertzehn.«
    Der Manager schüttelte nur den Kopf.
    Ein paradoxer Aspekt an der Geschichte ist, dass die amerikanische Börsenaufsicht die Unternehmen 1993 zum ersten Mal zwang, Einzelheiten über die Gehälter und Vergünstigungen ihrer Topmanager zu veröffentlichen. Dahinter steckte der Gedanke, dass, wenn die Gehälter einmal öffentlich gemachtwaren, die Vorstände den Managern keine haarsträubend hohen Gehälter und Prämien mehr genehmigen würden. Man hoffte, dadurch den steilen Anstieg der Managergehälter zu bremsen, was bisher weder der Aufsichtsbehörde noch dem Gesetzgeber, noch auf Druck der Aktionäre gelungen war. Und es war in der Tat notwendig: Im Jahr 1976 verdiente ein Manager im Durchschnitt 36-mal mehr als ein Arbeiter. Im Jahr 1993 bekam der Manager im Durchschnitt 131-mal so viel.
    Und raten Sie mal, was dann geschah. Sobald die Gehälter öffentlich gemacht wurden, brachten die Medien regelmäßig Artikel mit einer Rangordnung der Manager nach ihrem Gehalt. Anstatt die Vergünstigungen für Führungskräfte einzudämmen, führte die Publicity dazu, dass Amerikas Manager nun ihre Gehälter untereinander verglichen. Mit dem Ergebnis, dass die Managergehälter in die Höhe schossen. »Gefördert« wurde dieser Trend durch Gehaltsberatungsfirmen (von dem Investor Warren Buffett bissig »Höher, Höher & Bingo« genannt), die ihren Managerkunden rieten, exorbitante Gehaltserhöhungen zu fordern. Die Folge? Heute verdient ein Manager im Durchschnitt etwa 369-mal mehr als ein Arbeiter – und etwa das Dreifache von dem, was er bekam, bevor die Managergehälter öffentlich gemacht wurden.
    Mit diesem Wissen im Hinterkopf hatte ich an den Manager, mit dem ich sprach, doch einige Fragen.
    »Was würde denn passieren«, erlaubte ich mir zu fragen, »wenn die in Ihrer Gehaltsdatenbank enthaltenen Informationen im ganzen Unternehmen bekannt würden?«
    Der Manager sah mich bestürzt an. »Wir könnten vieles bewältigen – Insiderhandel, Finanzskandale und Ähnliches –, aber wenn jeder jedermanns Gehalt kennen würde, wäre das eine echte Katastrophe. Alle außer dem höchstbezahltenAngestellten würden sich unterbezahlt fühlen, und es würde mich nicht überraschen, wenn sie sich nach einer anderen Stelle umsehen würden.«
    Ist das nicht merkwürdig? Es ist wiederholt nachgewiesen worden, dass die Beziehung zwischen der Höhe des Einkommens und der persönlichen Zufriedenheit nicht so groß ist, wie man meinen möchte (tatsächlich ist sie ziemlich gering). Studien haben sogar ergeben, dass die Länder mit den »zufriedensten« Menschen nicht unter denen mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen
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