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Den Löwen Zum Frass

Den Löwen Zum Frass

Titel: Den Löwen Zum Frass
Autoren: Lindsey Davis
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Claudier und ein lächelnder Kopf von Vespasian, offenbar aus der Zeit vor seiner Ernennung zum Kaiser.
    Ich nahm an, dass das Gebäude zu meinen Lebzeiten gebaut worden war. Das bedeutete neues Geld. Das Fehlen gemalter Schlachtszenen, Trophäen oder phallischer Symbole, zusammen mit dem Übergewicht von Frauenstühlen, ließ mich darauf schließen, dass ich mich im Haus einer reichen Witwe befand. Die Gegenstände und Möbel waren teuer, wenn auch zum Gebrauch ausgesucht statt als reine Dekorationsstücke. Die Besitzerin hatte Geld, Geschmack und einen Sinn fürs Praktische.
    Das Haus war sehr ruhig. Keine Kinder. Keine Haustiere. Keine Kohlebecken gegen die Winterkälte. Offenbar fast unbewohnt. Hier tat sich nicht viel.
    Dann hörte ich das Murmeln von Frauenstimmen. Ich folgte dem Geräusch, kam in einen Peristylgar- ten, so geschützt, dass an den wuchernden Rosenbüschen noch die eine oder andere Blüte hing, obwohl wir bereits Dezember hatten. Vier ziemlich verstaubte Lorbeerbäume bildeten die Ecken, und in der Mitte stand ein stillgelegter Springbrunnen.
    Zwanglos schlenderte ich in den Garten und traf auf Helena Justina und eine andere Frau. Ich wusste, wer sie war, hatte sie schon früher gesehen. Sie war nur eine freigelassene Sklavin, eine ehemalige Palastsekretärin - und doch die vermutlich einflussreichste Frau im jetzigen Kaiserreich. Ich richtete mich auf. Wenn die Gerüchte darüber, wie sie ihre Stellung einsetzte, wahr waren, dann wurde in dieser isolierten Villa klammheimlich mehr Macht ausgeübt als in jedem anderen Privathaus von Rom.
    Sie hatten leise gelacht, zwei aufrechte, zivilisierte, unbefangene Frauen, die dem Wetter trotzten, während sie über den Lauf der Welt diskutierten. Helena hatte den lebhaften Ausdruck, der besagte, dass sie das Gespräch wirklich genoss. Das war selten; sie neigte dazu, ungesellig zu sein, außer mit Menschen, die sie gut kannte.
    Ihre Gefährtin war doppelt so alt wie sie, unbestreitbar eine ältere Frau mit leicht abgespanntem Aussehen. Ihr Name war Antonia Caenis. Sie war zwar eine Freigelassene, aber eine von bedeutendem Status. Einst hatte sie für die Mutter des Kaisers Claudius gearbeitet. Dadurch hatte sie langjährige und enge Verbindungen zu der alten, diskreditierten kaiserlichen Familie, und jetzt besaß sie noch intimere mit der neuen. Sie war seit langen Jahren die Geliebte Vespasians. Als ehemalige Sklavin konnte sie ihn niemals heiraten, aber nachdem seine Frau gestorben war, hatten sie offen zusammengelebt.
    Jeder hatte angenommen, dass er sich ihrer, sobald er Kaiser geworden war, diskret entledigen
    würde, aber er nahm sie mit in den Palast. In dem Alter der beiden war das kaum noch ein Skandal. Die Villa gehörte wahrscheinlich Caenis; wenn sie immer noch herkam, musste sie hier inoffizielle Transaktionen durchführen.
    Ich hatte gehört, dass so etwas geschah. Vespasian gefiel sich darin, zu reell für Machenschaften hinter den Kulissen zu erscheinen - und doch musste er froh sein, jemanden zu haben, dem er vertrauensvoll diskrete Vereinbarungen überlassen konnte, während er Distanz wahrte und sich nach außen hin nicht die Hände schmutzig machte.
    Die beiden Frauen saßen auf einer mit Kissen gepolsterten niedrigen Steinbank mit Löwenfüßen. Als ich näher kam, drehten sie sich um und unterbrachen ihr Gespräch. Ich merkte, dass sie wegen der Unterbrechung verärgert waren. Ich war ein Mann. Das, worüber sie gesprochen hatten, befand sich außerhalb meiner Sphäre.
    Was nicht heißt, dass es frivol gewesen wäre.
    »Ach, da bist du ja!«, rief Helena.
    »Ich hab mich gefragt, was mir entgeht.«
    Antonia Caenis senkte leicht den Kopf und begrüßte mich, ohne dass ich ihr vorgestellt worden war. »Didius Falco.«
    Meine Güte, die Frau war gut! Ich hatte ihr einst bescheiden Platz gemacht, als ich Titus Cäsar im Palast besuchte, aber das war schon einige Zeit her, und es hatte nie ein formelles Treffen gegeben. Ich hatte bereits gehört, dass sie intelligent war und ein phänomenales Gedächtnis besaß. Offenbar war ich entsprechend eingeordnet worden, aber ich welches Fach?
    »Antonia Caenis.«
    Ich stand, die traditionelle Haltung des Servilen in Gegenwart der Großen. Den Damen gefiel es, mich wie einen Barbaren zu behandeln. Ich zwinkerte Helena zu, die leicht errötete, vor Furcht, ich könnte auch Caenis zuzwinkern. Ich nahm an, Vespasians Geliebte konnte damit umgehen, aber ich war ein Gast in ihrem Haus. Außerdem war
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