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Dem Pharao versprochen

Dem Pharao versprochen

Titel: Dem Pharao versprochen
Autoren: Marliese Arold
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haute dem Wirt mit seiner großen Pranke auf die Schulter. »Aber du bist … bist unser Freund, und vor Freunden hat man keine Geheimnisse.«
    Der zweite beugte sich vor und raunte dem Wirt über den Tisch hinweg zu: »Unser Herr ist der Prinz Zananza, der zweitälteste Sohn unseres Königs Suppiluliuma. Er reist nach Waset, um dort um die Königin zu freien.«
    Dem Wirt blieb vor Überraschung der Mund offenstehen. »Ein Hethiter als Pharao? Ein Ausländer auf dem Thron Ägyptens?« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er mit seinem Antrag bei der Königin Erfolg haben wird.«
    »Freilich wird er Erfolg haben«, widersprach der zweite Mann, dessen Zunge noch nicht so schwer war. »Die Königin hat Suppiluliuma doch selbst um einen seiner Söhne gebeten. Zwischen den Ländern ist alles geregelt, und das neue Reich wird nach der Heirat doppelt so groß sein.«
    »Hm.« Der Wirt setzte eine nachdenkliche Miene auf. Dann stand er vom Tisch auf. »Ich glaube, ihr geht jetzt auch besser schlafen. Es ist schon spät, und sicher wollt ihr morgen früh aufbrechen.«
    Während er den leeren Bierkrug in die Küche zurücktrug, sah er, wie sich die beiden Männer mühsam erhoben. Sie mussten sich aneinander festhalten, so sehr torkelten sie. Sie schafften es kaum, die schmale Leiter hochzuklettern, die in den ersten Stock führte, wo sich ihr Lager befand – direkt über dem Stall. Der Dicke verfehlte eine Sprosse und wäre fast gestürzt. Doch dann fand er grunzend das Gleichgewicht wieder und überwand mit Mühe das letzte Stück. Der Wirt hörte die beiden oben noch eine Weile rumoren, während er aufräumte, dann wurde es still.
    Müde schlurfte der Wirt in den angrenzenden Raum, in dem er und seine Familie wohnte und schlief. Seine Frau rückte zur Seite, als er zu ihr ins Bett kroch.
    »Es ist wieder spät geworden«, murmelte sie.
    »Stell dir vor, wir beherbergen einen echten Prinzen«, erwiderte er, denn er musste die Neuigkeiten loswerden. »Und der will die Große Königliche Gemahlin heiraten. Angeblich hat sie dem König der Hethiter einen Brief geschrieben und ihn um einen Sohn gebeten. Ist das nicht ungeheuerlich?«
    »Ja, was für eine Geschichte!«, gab seine Frau zurück. »Merkwürdig. Neulich war die Polizei da und wollte wissen, wen wir in der letzten Zeit so beherbergt hätten. Und sie haben gefragt, ob ein hethitischer Prinz dabei gewesen wäre.«
    »Eigenartiger Zufall«, sagte der Wirt, drehte sich zur Seite und war im Nu eingeschlafen. So bekam er es gar nicht mit, wie seine Frau leise aus dem Bett stieg, in ihre Schuhe schlüpfte und sich entfernte.
    Die Hethiter waren offenbar das Biertrinken nicht gewohnt, denn am nächsten Morgen rührte sich nichts über dem Stall. Der Wirt versorgte die Pferde der Fremden und ging dann seinen Geschäften nach. Als es Mittag wurde und die drei Männer noch immer nicht aufgestanden waren, beschloss der Wirt, nach dem Rechten zu sehen und stieg die Leiter hoch.
    »Hallo! Die Sonne steht schon hoch am Himmel, es ist bereits Mittag! Wollt ihr nicht endlich aufstehen?«
    Er bekam keine Antwort. Misstrauisch kletterte er die letzten Sprossen hoch. Waren die Fremden etwa doch schon aufgebrochen? Aber warum hatten sie dann ihre Pferde zurückgelassen?
    In dem kleinen Raum über dem Stall war es dämmrig. Nur durch eine kleine Luke unter dem Dach fiel etwas Sonnenlicht herein, Staub tanzte in dem hellen Strahl.
    »Hallo?«
    Der Wirt sah die drei Gestalten auf dem Boden, sie lagen verkrümmt auf ihrem Lager. Ein seltsamer Geruch lag in der Luft. »Hallo!«, wiederholte der Wirt. »Wollt ihr nicht aufstehen?«
    Als er sich den Liegenden näherte, merkte er, dass er mit seinen Sandalen in etwas Feuchtes trat. Es war eine riesige Blutlache, die zum Teil schon getrocknet war.
    Die drei Männer waren tot. Jemand hatte dem Prinzen und seinen beiden Begleitern in der Nacht die Kehle durchgeschnitten!
     
    Anchesenamun war völlig erschöpft. Die Trauerfeierlichkeiten beim Begräbnis ihres Gemahls waren ihr sehr nahegegangen. Sie hatte ihm den Blumenkranz auf seiner letzten Reise mitgegeben und konnte nur hoffen, dass er sich dort, wo er jetzt war, daran erfreute.
    Die Zeremonie war sehr anstrengend gewesen und hatte Stunden gedauert. Jetzt war die Grabkammer verschlossen, und Tutanchamun war allein mit all den Herrlichkeiten, die seine Kammer füllten. Der goldene Streitwagen. Der Thronsessel, den er so geliebt hatte. Der große Schrein mit dem Totengott Anubis.
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