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Dem Gluecklichen Schlaegt Keine Stunde

Dem Gluecklichen Schlaegt Keine Stunde

Titel: Dem Gluecklichen Schlaegt Keine Stunde
Autoren: Anselm Gruen
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stört wie das Kindergeschrei. Rilke meint, die Zeit sei etwas Kostbares. Es gehe darum, das Sein der Zeit zu entdecken. Dazu sollten wir die Zeit halten, sie anhalten, damit sie stillsteht, damit wir die Zeit spüren. Wenn wir die Zeit spüren, dann ist es eine kostbare, eine angenehme Zeit. Ganz gleich, was in dieser Zeit dann ist,das Zwitschern der Vögel oder das Schreien der Kinder, es ist immer eine gute Zeit. Wir hören dann die Vögel und die Kinder und erfreuen uns. Wir hören Leben aus ihnen heraus. Wer die Zeit vertreibt, der vertreibt auch die schöne Musik, die in der Zeit erklingt, der vertreibt die Süße der Zeit, die Schönheit des Augenblicks.

Erfüllt
Ohne Abschied und Neubeginn wird die Zeit langweilig. Sie wird immer gleich. Es löst sich nichts. Ohne Abschied schleppe ich die Vergangenheit immer noch mit mir herum. Und irgendwann wird die Last zu groß. Die Zeit erneuert sich, wenn ich immer wieder vom Vergangenen Abschied nehme, um das unberührte Neue zu beginnen.

Einmünden in die Ewigkeit
Wer etwas kauft, will es besitzen. Die Zeit kann niemand besitzen. Sie wird uns geschenkt. Und nur der, der sie wahrnimmt und bewusst erlebt, erfährt sie als Geschenk. Allen anderen entschwindet sie ständig: Sie jammern, dass sie so wenig Zeit haben; sie wissen nicht, wohin die Zeit gegangen ist. „Die Zeit ist der beste und klügste Lehrer.“ (Abraham Ibn Esra) Sie lehrt uns, dass nur der wahrhaft lebt, der ganz bei sich ist. Und sie lehrt uns weiter, dass nur der weise ist, der die Begrenztheit der Zeit anerkennt, die ihm gegeben ist. Wir können nicht dem Geheimnis der Zeit nachspüren, ohne an den Tod zu denken, in dem unsere Lebenszeit an ein Ende kommt, um einzumünden in die zeitlose Zeit, in die Ewigkeit.

Ganz bei sich
Manchmal machen wir die Erfahrung von Einssein, ohne dass wir uns darauf vorbereitet haben. Sie überkommt uns im Urlaub, wenn wir ganz im Schauen sind, uns ganz eins fühlen mit der Umgebung. Sie überfällt uns beim Hören von Musik. Manchmal machen wir auch mitten in der Arbeit plötzlich die Erfahrung, dass wir ganz bei uns selbst sind, ganz eins mit uns und auch mit den Menschen, mit denen wir gerade zusammen sind. All das sind letztlich mystische Erfahrungen, auch wenn wir sie nicht in einer frommen Sprache beschreiben und auch wenn wir Gott darin nicht genau orten können. Dennoch ist jede Erfahrung absoluten Einsseins immer auch eine Erfahrung des Einsseins mit Gott, dem Grund allen Seins. Gott ist die Tiefe dieser Einheitserfahrung.

Jede Sekunde
Der römische Philosoph auf dem Kaiserthron Marc Aurel (121–180) hat einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Wenn du die Zeit nicht zur Aufheiterung deiner Seele verwendest, wird sie entschwinden, und du wirst entschwinden, und ein zweites Mal wird es nicht möglich sein, sie zu verwenden.“ Für die stoischen Philosophen bedeutet die Aufheiterung der Seele nicht, sich möglichst viele Vergnügen zu gönnen. Vielmehr versteht Marc Aurel das Aufheitern der Seele darin, sich frei zu machen von äußeren Abhängigkeiten und sie mit philosophischen oder religiösen Gedanken zu füllen. Der Gedanke an Gott ist die wahre Aufheiterung der Seele. Denn da strömt Gottes Licht in den Menschen ein. Man könnte auch sagen: Eine Zeit, in der ich nicht in Berührung bin mit meiner Seele und der inneren Heiterkeit der Seele, ist verlorene Zeit. Sie entschwindet mir. Und ich selbst entschwindemir. Denn ich bin mit meinem wahren Wesen nicht anwesend in der Zeit. Nur die Zeit, in der ich bei mir bin, in mir bin, in der inneren Heiterkeit, ist wirkliche Zeit, „kairos“, wie Jesus die angenehme Zeit, die Zeit der Gnade nennt. Heiterkeit ist Ausdruck einer gesunden Spiritualität und Zeichen menschlicher und geistlicher Reife. Heiterkeit meint innere Klarheit. Die Wolken von Traurigkeit und Ärger haben sich verzogen, und der klare Himmel leuchtet in der Seele.
Jede Sekunde unseres Lebens ist von Natur aus glücklich. Wir selber verbauen uns das Glück, wenn wir uns vom Ärger bestimmen lassen.

Ganz präsent
Der evangelische Mystiker Gerhard Tersteegen hat im Jahre 1729 das wunderbare Lied gedichtet: „Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten.“ In der christlichen Tradition gibt es die Übung, in der Gegenwart Gottes zu leben. Gott ist nicht der ferne. Er ist der, der ganz im Augenblick ist. In seiner Gegenwart komme ich zu mir selbst, verlasse ich das Nachdenken über die Vergangenheit oder Zukunft.
Ich
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