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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen
Autoren: Claudia Gabe
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pflichtete Benvolio ihm bei.
    "Na gut. Wenn ihr zu feige seid, gehe ich eben allein", sagte Romeo wild entschlossen.
    Benvolio und Mercutio tauschten einen besorgten Blick, während Romeo auf eine Antwort wartete. Schließlich nickte Benvolio, und Mercutio hob eine mächtige Pike vom Boden auf, die er Romeo wie einen Blumenstrauß überreichte.
    "Lasst uns ein paar von denen hier kürzen, damit wir sie unter unseren Umhängen verstecken können", riet Mercutio.
    "Außerdem sollten wir Bruder Lorenzo um Knoblauch und etwas Weihwasser bitten und damit unsere Trinkflaschen füllen", fügte Benvolio hinzu.
    Romeo grinste triumphierend und schüttelte beiden die Hände. "Sehr gut. Wir machen uns aufs Schlimmste gefasst."
    "Und darauf, dass du heute Nacht deine Unschuld verlierst", sagte Mercutio augenzwinkernd.

 

    Oben an der Wendeltreppe stand Julia hinter einer Säule und beobachtete das Treiben in der Großen Halle des Schlosses. Dutzende Kerzen erleuchteten den Saal, durch den sich aufgeputzte Frauen in glitzernden, perlenbestickten Ballkleidern bewegten. Auch die Männer trugen edle Gewänder mit goldschimmernden Stickereien.
    Julia staunte, wie friedlich alles war. Menschen und Capulets vergnügten sich Seite an Seite, als lägen nicht Jahre des Blutvergießens hinter ihnen. Statt auf der Hut zu sein, schien die Elite der Menschen in Transsilvanien es zu genießen, mit den berühmt-berüchtigtsten Vampiren des Landes zu feiern.
    Ein Gesangstrio stand zwischen zwei hohen Marmorsäulen und sang Ave Regina von Guillaume Dufay. Der engelsgleiche Klang der Sopranstimmen mischte sich mit dem vielstimmigen Gemurmel in der Großen Halle. Julia glaubte zu wissen, worüber sich die meisten unterhielten: den Friedensvertrag, der die Schreckensherrschaft der Capulets beenden sollte. Bald würde Fürst Radu als Ehrengast im Schloss eintreffen, und der bedeutendste Vampir-Clan Europas würde ihm einen würdigen Empfang bereiten.
    Julia machte einen so tiefen Seufzer, dass sich ihr Fischbeinkorsett in den Brustkorb drückte. Dabei wusste sie sehr wohl, dass sie über die Anwesenheit des Fürsten froh sein sollte. Ursprünglich sollte der Ball in drei Tagen stattfinden, an ihrem sechzehnten Geburtstag. Aber als Vladimir verhaftet worden war, hatte man umdisponiert. Die Capulets änderten das Motto des Balls und luden Fürst Radu ein, um ihm zu beweisen, dass sie der Macht würdig waren, mit der Vladimir sie ausgestattet hatte. Vielleicht war es dann möglich, Radu Zugeständnisse abzuringen. Trotz des Friedensvertrags hofften sie nämlich auf seine Erlaubnis, sich weiterhin von Menschenblut zu ernähren.
    Julias weitverzweigter Familien-Clan war so sehr mit den politischen Veränderungen beschäftigt, dass ihr Verwandlungsritual in Vergessenheit zu geraten schien. Julia wünschte, auch sie könnte es vergessen, wenigstens an diesem Abend. Aber als sich eine starke Hand mit langen, spitzen Fingernägeln auf ihre Schulter legte, wurde sie von der Wirklichkeit eingeholt.
    "Wo versteckst du dich die ganze Zeit?", hörte sie eine tiefe, raue Stimme fragen.
    Sie drehte sich um und schaute in das vornehme, attraktive Gesicht ihres Vaters. Lautlos hatte er sich im Schatten der Säule hinter sie gestellt. Sein Anblick ließ sie einen Moment lang erstarren - das kantige Kinn, der gepflegte Bart und die dunkelroten Augen, deren Blick sie zu durchbohren schien, wenn sie es wagte, seine Anweisungen zu missachten. Ihr stockte der Atem, als sie sich vorzustellen versuchte, wie er als junger Mann an seinem sechzehnten Geburtstag zum ersten Mal einem wehrlosen, unschuldigen Menschen an den Hals gegangen war, ihm die Zähne tief ins Fleisch gestoßen und ihn bis zum letzten Blutstropfen ausgesaugt hatte.
    "Ich verstecke mich doch gar nicht", verteidigte Julia sich zaghaft. "Ich wollte nur einen Moment in Ruhe nachdenken."
    Drei junge Frauen, alle in Julias Alter, tänzelten lachend an ihr vorbei, als gäbe es nichts, worüber sie oder irgendjemand sonst sich Sorgen machen müssten. Julia sah, dass ihr Vater ihnen nachschaute. Als sich sein Mund zu einem breiten Grinsen verzog, lief es ihr kalt über den Rücken. Schemenhaft zogen die Gesichter all der naiven Menschenfrauen an ihrem inneren Auge vorüber, die der Graf mit seinem charmanten Lächeln ins Schloss gelockt und dann ohne jede Vorwarnung "umgedreht" und selbst zu Vampiren gemacht hatte - mit einem schnellen, kräftigen Biss in den Hals und der Vermischung ihres Blutes mit ein paar
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