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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen
Autoren: Claudia Gabe
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ich von dir erwarte."
    Die Hand leicht auf den Arm ihres Vaters gelegt, bahnte sich Julia einen Weg durch die Menge. Auf Schritt und Tritt hörte sie, wie die Umstehenden hämische Bemerkungen über ihren Vater machten. Den schien das völlig kaltzulassen. Langsam schwebte er über den Marmorfußboden, reckte das Kinn vor und richtete seinen feurigen Blick auf das Podest, auf dem er gleich zusammen mit seiner Frau Fürst Radu begrüßen würde. Julia senkte den Blick und versuchte das Gerede zu ignorieren, aber es gelang ihr nicht.
    "Der Graf macht sich was vor. Niemals wird er den Fürsten dazu bringen, seine eigenen Befehle außer Kraft zu setzen", sagte eine entfernte Verwandte, an die Julia sich nur dunkel erinnern konnte. Sie hatte dieselben hohen Wangenknochen wie die Gräfin, und ihrer violetten Seidenrobe nach zu urteilen, bevorzugte sie denselben exquisiten Kleidungsstil.
    Ein imposanter Mann mit purpurnen Augen, der einen bis zum Rand mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllten Kristallkelch hielt, schien sich über diese Bemerkung zu ärgern.
    "Herrgott, schau dich doch einmal um! Der Graf hat unsere Familie zum bedeutendsten Adelshaus des Landes gemacht, trotz der Attacken dieser dreckfressenden Montagues. Er ist zu allem fähig und kriegt jeden mit seinem Charme herum. Warum also nicht auch unseren Friedensfürsten?"
    Der Mann hob den Kelch und roch an der roten Flüssigkeit wie ein Weinliebhaber an einem besonders guten Tropfen. Aber dann verzog er angewidert den Mund.
    Julia vermutete, dass er sich von einem der Tabletts, die Diener herumreichten, ein Glas Schweineblut genommen hatte. Seit dem Friedensvertrag waren die Capulets offiziell dazu verdammt, sich davon zu ernähren. Noch machte es nicht den Eindruck, als würde es ihrer Gesundheit schaden; doch die meisten Vampire waren davon überzeugt, dass nur Menschenblut ihnen die Nährstoffe bot, die sie brauchten. Sie fürchteten, dass ihnen mit der Zeit die Kräfte schwinden würden, wenn sie nicht genug davon bekämen.
    Was Julia in letzter Zeit von ihren Eltern mitbekam, deutete darauf hin, dass an dieser Theorie etwas dran sein konnte; aber sie wollte es nicht wahrhaben. Der Friedensvertrag änderte zwar nichts an der Tatsache, dass ihre Verwandlung zum Vampir unmittelbar bevorstand, doch Fürst Radu hatte etwas erreicht, das ihr nicht gelungen war: Er hinderte ihre Familie daran, den Menschen zu schaden. Und nicht nur das. Auch die Montagues mussten wohl oder übel aufhören, Jagd auf Julias Verwandtschaft zu machen, wenn sie nicht die Todesstrafe riskieren wollten.
    Trotzdem glaubte Julia, dass ihre Eltern sich mehr vor dem Verlust von Einfluss, Macht und Ansehen fürchteten als vor körperlichem Verfall. Denn ohne ihre übermenschlichen Kräfte waren sie nicht in der Lage, all ihre Privilegien zu verteidigen.
    Es war also nicht nur mangelnde Blutgier, die Julia von den anderen Capulets unterschied, sondern auch ihre Bescheidenheit.
    Als sie auf das Podest an der Stirnseite des Ballsaals zuging, versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Aber das Gemurmel der Menge wurde immer beunruhigender.
    "Vielleicht kann der Friedensvertrag ihre Seelen retten", meinte eine brünette junge Frau, die ein steinernes Kreuz um den Hals trug und es kurz mit den Händen berührte. Das Licht von Dutzenden Kandelabern spiegelte sich auf seiner polierten Oberfläche.
    Die Menschen unter den Gästen trugen alle Kreuze um den Hals, damit kein Vampir es wagte, sie anzugreifen, weil er sich sonst an ihnen verbrennen würde. Julia fragte sich, warum ihre Eltern nicht begriffen, dass es ein deutlicher Hinweis auf das Misstrauen der Menschen war.
    "Glaubst du wirklich, dass Magerkost mit Schweineblut und ein fürstlicher Erlass diese Kreaturen zur Vernunft bringen?", fragte der untersetzte Begleiter der Brünetten. "Ich würde mich sicherer fühlen, wenn die Montagues ihre Jagd fortsetzen können, bis die ganze Bande ausgerottet ist. Jetzt, da sie durch die Zwangsdiät geschwächt sind, sollte das ja wohl nicht so schwer sein."
    Julia musste schlucken. Vielleicht bot der Friedensvertrag ihrer Familie doch nicht den Schutz, den sie sich erhoffte. Tapfer schritt sie weiter voran und blieb dann stehen, als plötzlich ihr Vater seine starke Hand um ihre krallte. Sie schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen.
    Als sie die Augen wieder aufschlug, stand sie direkt vor ihrer Mutter, Fürst Radu und seinem Stabsoffizier Felix. Sie hätte nie gedacht, dass jemand sie mehr
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