Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt
Autoren: Inge Loehnig
Vom Netzwerk:
und rannte in ihr Zimmer. Sie würde den Praktikumsplatz bekommen! Sie würde es ihren Spießer-Eltern zeigen!
    Pa, der Feigling, immer machte er, was Mam wollte. Das war ja auch schön bequem. Keine Diskussion mit ihr. Kein Streit. War ja viel einfacher so. Manchmal glaubte Lou, dass er sich überhaupt nicht für sie interessierte. Hauptsache, er hatte keinen Stress mit seiner holden Gattin.
    Sie warf sich aufs Bett. Gut! Dann würde sie eben ohne den Segen ihre Eltern nach München fahren. Wenn die glaubten, dass sie sich diese Chance entgehen ließ, dann hatten sie sich geschnitten.
    Am nächsten Tag suchte sie im Internet Zugverbindungen heraus, erleichterte ihr Sparbuch und kaufte sich ein Bayern-Ticket. Zweiundzwanzig Euro. Damit konnte sie einen ganzen Tag lang kreuz und quer durch Bayern fahren und sogar die Münchner U-Bahn benutzen. Ihre Eltern waren in der Arbeit. Lou besprach mit Caro ihr Outfit fürs Vorstellungsgespräch, packte die Klamotten in eine Tasche und deponierte sie bei ihrer Freundin.
    Am Freitagmorgen blieb ihre Mam daheim. Überstundenausgleich. Angeblich. Als ob Lou doof wäre und das auch nur eine Sekunde glaubte. Natürlich passte sie auf, dass ihr Töchterlein nicht heimlich nach München fuhr.
    Lou saß in ihren ältesten Klamotten scheinbar total gefrustet am Frühstückstisch und machte ihrer Mutter wegen des Verbots Vorwürfe. Wenn sie nämlich nicht meckerte, würde Mam den Braten riechen. Pünktlich um neun klingelte es an der Haustür. Mam öffnete und kam mit Caro zurück in die Küche. Sie schleppte eine volle Badetasche mit sich und zauberte ein strahlendes Lächeln aufs Gesicht. »Kommst du mit in die Aqua-Therme?«
    Lou gab vor, keine Lust zu haben. Doch ihre Mam redete ihr zu, den Tag zu genießen, und gab ihr sogar das Eintrittsgeld fürs Schwimmbad. Lou verkniff sich das Grinsen. Der Plan ging perfekt auf. »Spätestens um fünf bist du aber wieder da.«
    Sie murmelte etwas, das wie Zustimmung klang. Bis fünf würde sie es nicht schaffen. Frühestens Viertel nach sechs konnte sie wieder daheim sein.
    Bei Caro zog sie sich um. Sandfarbene Chino, weiße Bluse und eine Strickjacke für alle Fälle. Der Wetterbericht hatte prophezeit, dass es kühl werden würde. Dazu braune Ballerinas. Sie ließ sich von Caro überreden, ihre dunklen Strubbelhaare zu bändigen und steckte sie als Banane auf den Hinterkopf. So sah sie einfach superseriös aus. Beinahe gar nicht nach Lou und mindestens drei Jahre älter. Die riesige Patchworktasche aus bunten Wildlederflecken war das Einzige, was von ihrem Hippie-Look übrig blieb. In ihr steckten neben tausend Kleinigkeiten auch die wichtigen Dinge: MacBook, Geldbeutel, Handy und das Ticket.
    Caro begleitete sie zum Bahnhof. Pünktlich fuhr der Zug ein. Zum Abschied umarmte ihre Freundin sie noch mal.
    »Ich drücke dir die Daumen und die großen Zehen auch! Und ruf mich an!«
    »Logo. Du erfährst es als Erste, wenn ich den Praktikumsplatz habe.«
    Aus dem Waggon winkte Lou Caro noch einmal zu und machte sich dann auf die Suche nach einem freien Platz. Während Felder, Wiesen und Dörfer vor dem Fenster vorbeizogen und München immer näher kam und damit das Vorstellungsgespräch, wurde es Lou langsam doch ein wenig mulmig in der Magengegend.

5
    Bereits um Viertel nach zwölf war Lou in München angekommen. Fast noch zwei Stunden bis zu ihrem Termin. Der Hauptbahnhof erschien ihr riesengroß. Dutzende Gleise. Menschen wuselten herum. Es roch nach Diesel und Pommes, nach Döner, Pizza, Parfüm und Schweiß. Gesprächsfetzen und das Rattern der Rollkoffer auf den Betonplatten vermischten sich mit dem Quietschen der Zugbremsen, Lautsprecher-Durchsagen und dem Straßenlärm, der von den nahen Straßen hereinschwappte. Hier war echt was los. Ein Businesstyp rempelte Lou an und entschuldigte sich tatsächlich. Musternd glitt sein Blick an ihr herab. Ein Lächeln folgte. Bitte? Was sollte das? Der könnte ihr Vater sein! Jedenfalls beinahe. Lou wandte sich ab, ging den Bahnsteig entlang und suchte den Zugang zur U-Bahn. Ein Besoffener kam lallend auf sie zugewankt und schwenkte seine Bierdose. Sie wich ihm aus. Meine Güte, der hatte ganz schön getankt, und das schon mittags.
    Alleine war sie noch nie in München gewesen. Ein paarmal mit ihren Eltern zum Oktoberfest, als sie noch kleiner gewesen war. Und dann manchmal mit Tante Ute, die regelmäßig nach München fuhr, um Onkel Achim zu besuchen, ihren Exmann, der irgendwie nicht so ganz ex zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher