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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt
Autoren: Inge Loehnig
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davongelaufen sei.
    Bei der Vorstellung, dass er hier in diesem Zimmer gewesen war, dass er ihre Sachen in seinen Händen gehabt hatte, wurde es Lou kotzübel. Sie musste hier raus.
    »Wo willst du denn hin?«, fragte Mam.
    »Keine Ahnung. Nur raus.«
    »Das trifft sich gut. Jemand wartet im Englischen Garten auf dich.«
    Na, das konnte ja nur Lysander sein. Bei dem Gedanken an ihn verschwand die Übelkeit sofort und Vorfreude breitete sich in ihr aus.
    »Zieh dir etwas Ordentliches an. Lysanders Eltern kommen auch«, sagte Mam, die sich echt chic gemacht hatte. Leinenrock und passende Bluse und Pa trug sogar Anzug.
    »Bitte? Was soll das denn werden?« Lou war alles andere als begeistert.
    »Wir treffen uns alle zu einem Picknick«, antwortete Mam.
    »Ihr kommt auch mit?« Das wurde ja immer schlimmer.
    »Lysander hat uns eingeladen.«
    Also gut. Lou kapitulierte. Wenn er das so wollte. In Gedanken zuckte sie die Schultern. »Für ein Picknick brauche ich mich aber echt nicht zu verkleiden. Da reichen Shorts und T-Shirt. Entweder mögen mich Lysanders Eltern oder nicht. Und wenn nicht, liegt es nicht am Outfit.«
    »Vermutlich nicht«, konterte ihre Mam mit einem Augenzwinkern. »Wohl eher am frechen Mundwerk.«

81
    Die Sonne stand hoch am Himmel. Im Englischen Garten schien sich halb München versammelt zu haben. Der Bootsverleiher am Kleinhesseloher See machte sicher das Geschäft der Saison. Die Wiesen waren von Sonnenanbetern bevölkert. Vom Chinesischen Turm klang leise Blasmusik herüber, ein leichter Wind brachte den Geruch nach frischem Steckerlfisch mit sich. Lou genoss das Leben um sich herum. München war einfach toll. Sie würde hier bleiben. Hundertpro. Irre konnten einem überall in der Welt über den Weg laufen. Und die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ihr das zweimal passierte, tendierte in den Minusbereich. Sie würde sich nicht vor Angst verkriechen. Niemals!
    Ihre Eltern steuerten zielstrebig in den nördlichen Teil des Parks, weg vom Trubel. Lou war nicht sonderlich entzückt, dass sie mitkamen. Sie wäre lieber mit Lysander alleine gewesen, statt zu einem Familientreffen zu gehen.
    Etwas abseits des Wegs entdeckte Lou schließlich eine Gruppe von Menschen auf einer Wiese. Sicher zwanzig Personen oder mehr. Meo und Sabine, Dave, Mark und Bea, Jem und Manu, Caro und Ferdi und sogar Gunda aus der Agentur – alle waren da. Decken und Kissen lagen im Gras. Teller, Gläser, Besteck, Schüsseln und Platten mit Salaten, Aufschnitt und Brot türmten sich darauf. In einer Plastikwanne wurden Bier-, Wein- und Wasserflaschen gekühlt. Doch wo war Lysander?
    Während sie alle begrüßte, Umarmungen und Fragen über sich ergehen ließ und schließlich vor Lysanders Eltern stand, hielt sie Ausschau nach ihm. Doch sie entdeckte ihn nicht.
    Sein Vater war ganz anders, als Lou sich unwillkürlich einen Professor für Englische Literatur vorgestellt hatte. Weder war das Haar eine weiße Gelehrtenmähne, noch trug er eine Brille und Tweedanzug. Er steckte in Turnschuhen, Bermudashorts und Poloshirt. Sein Haar war so dunkel und dicht wie Lysanders. Als er sie anlächelte und den Kopf dabei leicht schräg legte, wurde Lou klar, woher Lysander diesen Beoblick hatte.
    »Du bist also Hermia, die Fabelhafte, die es geschafft hat, dass der Junge sich endlich mit Shakespeare beschäftigt. Ganz überflüssig zu erwähnen, dass du meine Gunst bereits vor diesem Treffen errungen hast.«
    Auch wenn er nicht wie ein Prof aussah, er hörte sich jedenfalls so an. Lou begrüßte ihn artig und reichte auch Lysanders Mutter die Hand. Flüchtig registrierte sie eine vage Ähnlichkeit mit Meryl Streep. Wo war nur Lysander?
    Plötzlich wurden alle still und nahmen Platz, auch Lou setzte sich unwillkürlich. Was war jetzt los? Sie sah sich um. Jem, Dave, Manu, Mark und Bea waren verschwunden und die übrig Gebliebenen blickten alle in eine Richtung zu einem Gebüsch. Was gab es da zu sehen? Während Lou sich das noch fragte, trat Lysander hervor. Er trug ein Bettlaken, das er wie eine Toga um seinen Körper geschlungen hatte. Auf Lous Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Er hatte es nicht vergessen. Im Gegensatz zu ihr. Daran hatte sie echt nicht mehr gedacht.
    Mit einer Verbeugung wandte er sich an sein Publikum. »Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare, in einer besonderen Inszenierung für Lou, präsentiert vom Ensemble Spielfreude und meiner Wenigkeit.« Wieder verbeugte sich Lysander und wartete, bis der Applaus
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