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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock
Autoren: Sara Paretsky
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entdeckte ich meine Schuhe, meine Handtasche und meine Jacke und obenauf einen Zettel:
    Liebe Vic,
    Sie haben so fest geschlafen, dass ich Ihre Adresse nicht aus Ihnen herausbekommen konnte. Deshalb habe ich Sie mit zu mir ins Hancock-Gebäude genommen. Hoffentlich finden Sie Ihre Beweise.
    R.F
    Ich torkelte ins Badezimmer, schluckte vier Aspirin, die ich in einem Apothekenschränkchen fand, und sank in die Fluten. Nach einer halben Stunde fühlte ich mich wie neugeboren.
    In Ferrants Hausmantel ging ich in seine kleine Küche, die mir in Weiß und Edelstahl entgegen blinkte. Beim Kühlschrank hing eine Uhr. Kein Wunder, dass Ferrant längst verschwunden war - es war halb eins!
    Unter der belebenden Wirkung eines heißen Kaffees rekapitulierte ich die Ereignisse des gestrigen Abends - den Besuch bei Paige und das Abendessen mit Ferrant. Ich entsann mich dunkel, dass ich versucht hatte, die Marineschule
    anzurufen - selbst nüchtern betrachtet keine schlechte Idee.
    Diesmal hatte ich Glück: Ein junger Mann war am Apparat. Ich stellte mich als Detektivin vor, was für ihn gleichbedeutend mit der Polizei war. Übrigens geht das vielen Leuten so und es ist meistens zweckmäßig, ihnen diese Illusion nicht zu nehmen.
    »Niels Grafalks Jacht liegt im Hafen der Marineschule vor Anker«, sagte ich. »Ich wüsste gern, ob er am frühen Sonntagmorgen ausgelaufen ist.« Er reichte mich an einen Wachtposten unten am Kai weiter, von dem ich erfuhr, dass Mr Grafalks Jacht nicht offiziell registriert war, man sich aber gerne erkundigen wolle; ich versprach, mich in einer Stunde wieder zu melden. Ich machte mich fertig und verließ das Haus. Um nicht zu Hause frische Kleider holen zu müssen, erstand ich im Vorbeigehen bei Field's ein Paar Jeans und eine rote Baumwollbluse mit einem gelben Schrägstreifen. Anschließend besuchte ich mein Büro. Seit jenem Vormittag mit Mrs Kelvin hatte ich es nicht mehr betreten. Auf dem Fußboden hinter der Eingangstür lag ein Berg Post - nur Rechnungen und Reklame. Wieder keine Millionärin, deren spurlos verschwundenen Ehemann ich zurückholen sollte! Ich warf alles in den Papierkorb und rief die Marineschule an.
    Der junge Mann war in der Zwischenzeit sehr aktiv gewesen. Er hatte im Büro von Admiral Jergensen nachgefragt, wurde aber an Grafalks Chauffeur verwiesen, der immer an Bord sei, wenn die Jacht auslief. Als Erstes wollte er wissen, wen diese Frage denn interessiere. »Ich sagte, die Polizei habe angerufen, und bekam die Antwort, die Jacht sei in der Nacht zum Sonntag nicht ausgelaufen.«
    Ich dankte ihm ohne große Begeisterung und legte auf. Damit hatte ich nicht gerechnet, dass sie bei Grafalk selbst anriefen. Wenigstens hatten sie von Polizei gesprochen und meinen Namen nicht genannt. Aber wenn es Spuren auf der Jacht geben sollte, würde Grafalk sie schleunigst verschwinden lassen. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, Mallory zu verständigen, wusste aber nicht recht, mit welchen Argumenten ich ihn zur Ausstellung eines Haussuchungsbefehls hätte bewegen können. Er war immer noch auf die Vorstellung fixiert, dass Champ und ich Opfer von Unfällen geworden waren, die nichts miteinander zu tun hatten. Dass Grafalk ein Mörder war, würde er mir niemals abnehmen - es sei denn, ich könnte ihm den Beweis liefern: Phillips' Blutspuren auf Grafalks Jacht zum Beispiel. Schön, den Beweis sollte er haben. Ich ging zum Wandsafe. Zwar bin ich kein Peter Wimsey und schleppe daher kein vollständiges Polizeilabor mit mir herum, aber eine gewisse Grundausstattung wie Chemikalien zum Nachweis von Blutspuren, Plastikhüllen mit selbstklebendem Verschluss zur Aufbewahrung von Beweismaterial und ein Timothy-Custom-Mehrzweckmesser gehört nun einmal zu meinem Beruf. Mit seiner zehn Zentimeter langen Klinge war das Messer weniger eine Waffe als ein Werkzeug. Die rasiermesserscharfe Schneide eignete sich hervorragend, um beispielsweise einen Holzspan vom Deck abzuheben oder ein Stück Teppich abzutrennen. Ein Bund Dietriche und ein Vergrößerungsglas vervollständigten meine Ausrüstung.
    Ich leerte meine Umhängetasche, steckte Führerschein, Detektivausweis und ein paar Dollar in die Hosentasche und meine Detektivausstattung in das seitliche Reißverschlussfach, und dann ging's zu meinem Wagen in der Grant-Park-Garage. Fünfzehn Dollar Parkgebühr! Hoffentlich hatte ich noch alle Ausgaben im Kopf, wenn ich die Kostenaufstellung zu Lasten von Champs Nachlass in Angriff nahm. Ich musste meine
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