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Dead - Ein Alex-Cross-Roman

Dead - Ein Alex-Cross-Roman

Titel: Dead - Ein Alex-Cross-Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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wie er es haben wollte. Dann kehrte er zu der Frau zurück. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt und schien ihre Rolle mittlerweile kapiert zu haben.
    »Sind Sie das? Auf diesem Bild da?«, wollte er unvermittelt und mit verblüffter Stimme wissen. »Das sind tatsächlich Sie.«
    Qasim stieß sie mit dem Fuß am Kinn, damit sie seinem Blick folgte. Über dem mit kunstvollen Schnörkeln verzierten Sofa hing ein großes Ölporträt. Es zeigte Tess Olsen in einem langen, silbernen Umhang, ihre Hand ruhte auf einem polierten runden Tisch mit einem exquisiten Blumenarrangement. Ihre Miene war ernst und voll des ungerechtfertigten Stolzes.
    »Das sieht Ihnen aber nicht besonders ähnlich. In Wirklichkeit sind Sie hübscher. Und reizvoller, ohne die Kleider«, sagte er. »Jetzt aber raus ! Auf den Balkon. Bald sind Sie eine sehr berühmte Frau. Das verspreche ich Ihnen. Ihre Fans warten bereits.«

5
    Nachdem Qasim noch einmal kräftig an der Leine gezogen hatte, kam Tess Olsen mühsam auf die Beine, streckte die Arme zu beiden Seiten aus und hatte endlich so weit das Gleichgewicht gefunden, dass sie wenigstens gehen konnte.
    Das alles kam ihr so unwirklich vor. Zitternd ging sie rückwärts auf den Balkon, bis sie das Eisengeländer an ihrem unteren Rücken spürte.
    Sie zitterte am ganzen Körper. Zwölf Stockwerke unterhalb schob sich der Feierabendverkehr die Connecticut Avenue entlang. Hunderte Fußgänger lenkten ihre Schritte über die Bürgersteige, meistens mit gesenktem Kopf und ohne zu wissen, was da oben im Riverwalk-Hochhaus gerade geschah. Es war ein perfektes Symbol für das Leben in Washington, D.C.
    Yousef Qasim riss der Frau das Klebeband vom Mund.
    »Und jetzt, schrei«, sagte er. »Schrei aus voller Kehle! Schrei, als hättest du vor Angst den Verstand verloren! Ich will, dass sie dich in ganz Virginia hören können! In Ohio! In Kalifornien!«
    Doch stattdessen sprach die Frau ihn an, so hastig, dass es wirklich kaum zu verstehen war. »Bitte. Das muss bestimmt nicht sein. Ich kann Ihnen helfen. Ich habe sehr viel Geld. Sie können alles aus der Wohnung mitnehmen, was Sie wollen. Ich habe da auch einen Safe, im zweiten Schlafzimmer. Bitte, sagen Sie mir nur …«
    »Was ich will, Mrs Tess Olsen«, sagte Qasim und hielt die Mündung einer Pistole direkt auf einen der diamantenen Stecker in einem ihrer Ohrläppchen gerichtet, »ist, dass Sie schreien . Sehr, sehr laut. Auf der Stelle! Aufs Stichwort, sozusagen.
Haben Sie mich verstanden? Das ist doch eine ganz einfache Anweisung - schrei !«
    Aber ihr Schreien war wenig mehr als ein Schluchzen, ein jämmerliches Wimmern, das vom Winde verweht wurde.
    »Also gut«, sagte Qasim und packte die Frau an ihren nackten Beinen. »Dann machen wir’s eben auf deine Art!« Mit einem einzigen, kraftvollen Schwung hatte er sie über das Geländer gehievt, sodass sie nun mit dem Kopf nach unten hing.
    Jetzt waren die Schreie plötzlich zu hören, hoch und schrill wie eine Alarmanlage. Tess Olsen suchte mit fliegenden Händen nach einem Halt, der schlicht und einfach nicht existierte.
    Die rote Hundeleine wehte im Wind, wie ein Blutstrahl aus der Halsschlagader. Ein hübscher Effekt, wie im Film , dachte Qasim. Genau das, was er wollte. Alles Teil des Plans.
    Sofort begann sich unten eine Menschenmenge zu versammeln. Die Leute blieben stehen und deuteten nach oben. Manche holten ihre Handys hervor und telefonierten. Andere nutzten die Telefone zum Fotografieren - pornographische Fotos, wenn sie auch nur einen Augenblick lang darüber nachgedacht hätten.
    Schließlich zog Qasim Tess Olsen wieder übers Geländer und setzte sie auf den Balkon.
    »Das hast du sehr gut gemacht«, sagte er und gab seiner Stimme einen weichen Klang. »Wunderbar gemacht, das meine ich wirklich ernst. Aber diese Leute mit den Kameras, ja, ist denn das zu glauben? In was für einer Welt leben wir eigentlich?«
    Die nächsten Worte brachen wie ein Sturzbach aus ihr hervor. »Oh, lieber Gott, bitte, ich möchte nicht so sterben. Es muss doch etwas geben, was Sie haben wollen. Ich habe mein ganzes Leben lang niemandem etwas getan. Ich verstehe das alles einfach nicht! Bitte... hören Sie auf!«

    »Wir werden sehen. Geben Sie die Hoffnung nicht auf. Tun Sie genau das, was ich Ihnen sage. Das ist das Beste.«
    »Das mache ich. Ich versprech’s. Ich mache, was Sie sagen.«
    Er beugte sich nach vorne und blickte auf die Connecticut Avenue und zu all den Leuten hinab.
    Die Menge dort unten
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