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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen
Autoren: Ian Rankin
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Straße war
ebenfalls neueren Datums und gebaut worden, um das Verkehrschaos im Bereich der Innenstadt zu
verringern. Gebaut, damit die Pendler bequemer von ihren Häusern auf dem Land zu ihren Jobs in
der Stadt gelangen konnten.
An diesem Abend waren keine Autos auf der Straße. Das einzige Geräusch war das langsame Tuckern
einer Betonmischmaschine auf der Baustelle. Ein Mann fütterte sie mit Schaufeln voll grauem Sand
und dachte an die ferne Zeit, als er selbst auf dem Bau geschuftet hatte. Harte Arbeit war das
gewesen, aber ehrliche.
Zwei weitere Männer standen vor einer tiefen Grube und starrten hinein.
»Die sollte reichen«, sagte einer von ihnen.
»Ja«, stimmte der andere zu. Sie gingen zum Wagen zurück, einem älteren lilafarbenen
Mercedes.
»Er muss ja allerhand Einfluss haben. Ich meine, uns den Schlüssel von dieser Baustelle zu
besorgen und das alles hier vorzubereiten. Allerhand Einfluss.«
»Es ist nicht unsere Sache, Fragen zu stellen, das weißt du doch.« Der Mann, der das sagte, war
der Älteste von den Dreien und der einzige Kalvinist. Er öffnete den Kofferraum des Wagens.
Drinnen lag in gekrümmter Haltung ein zartgliedriger junger Mann, offenkundig tot.
Seine Haut hatte eine bleigraue Färbung. Am dunkelsten war sie an den Stellen, wo die Blutergüsse
waren.
»Welche Verschwendung«, sagte der Kalvinist.
»Ja«, stimmte der andere zu. Gemeinsam hoben sie die Leiche aus dem Kofferraum und trugen sie
vorsichtig zu dem Loch. Mit einem leisen Geräusch landete sie auf dem Grund. Ein Bein verkeilte
sich zwischen den klebrigen Lehmwänden, das Hosenbein rutschte ein Stück nach oben und gab einen
nackten Knöchel frei.
»Alles klar«, sagte der Kalvinist zu dem Mann am Betonmischer.
»Kipp es zu, und dann nichts wie weg hier. Ich hab einen Mordshunger.«
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MONTAG
    Fast ein Menschenalter lang war niemand erschienen, um diese zufälligen Besucher fortzujagen
oder ihre Verwüstungen wieder auszubessern.

Was für ein Wochenanfang.
Die Wohnsiedlung, oder zumindest das, was er davon durch die vom Regen gepeitschte
Windschutzscheibe sehen konnte, entwickelte sich allmählich in die Wildnis zurück, die dort vor
vielen Jahren gewesen war, bevor die Bauarbeiter anrückten. Er hatte keinen Zweifel daran, dass
diese Siedlung, wie so viele ihresgleichen rund um Edinburgh, in den sechziger Jahren als ideale
Lösung für zukünftige Wohnungsprobleme erschienen war. Und er fragte sich, ob diejenigen, die so
etwas planten, je aus Schaden klug wurden. Wenn nicht, dann könnte die »idealen« Lösungen von
heute das gleiche Schicksal ereilen.
Die Grünflächen bestanden aus hohem Gras und massenhaft Unkraut, während die asphaltierten
Kinderspielplätze wie Trümmergrundstücke aussahen, übersät mit Glasscherben, die nur darauf
warteten, dass jemand stolperte und mit dem Knie hineinfiel oder mit der Hand hineingriff. An den
meisten dieser Reihenhäuser waren die Fenster mit Brettern verrammelt, aus kaputten Abflussrohren
strömte das Regenwasser auf die Erde, und die matschigen Vorgärten hatten kaputte Zäune und keine
Tore. Er stellte sich vor, dass die Gegend an einem sonnigen Tag noch deprimierender wirken
würde.
Und trotzdem hatte ganz in der Nähe, nur wenige hundert Meter entfernt, ein Bauunternehmen
angefangen, Eigentumswohnungen zu bauen. Die Holztafel über dem Bauplatz warb für LUXURIÖSES
WOHNEN und nannte als Adresse MUIR VILLAGE. Rebus ließ sich davon nicht täuschen, aber er fragte
sich, wie vielen jungen Käufern das passieren würde. Das hier war Pilmuir und würde es auch immer
bleiben. Es war die Müllkippe von Edinburgh.
Das Haus, zu dem er wollte, war nicht zu übersehen. Zwei Polizeiautos und ein Krankenwagen
standen bereits davor. Sie parkten neben einem ausgebrannten Ford Cortina. Doch auch ohne diesen
Hinweis hätte Rebus gewusst, um welches Haus es sich handelte. Zwar hatte es, wie seine Nachbarn
zu beiden Seiten, mit Brettern verrammelte Fenster, doch außerdem stand die Tür auf und gab den
Blick in das dunkle Innere frei. Und an welchem Haus würde schon an einem solchen Tag die Tür
sperrangelweit offen stehen, wenn da drinnen nicht die Leiche wäre und die abergläubische Furcht
der Lebenden, die mit ihr zusammen eingesperrt waren?
Da er nicht so nah an der Tür parken konnte, wie er gern gewollt hätte, stieß Rebus leise
fluchend die Autotür auf, warf sich seinen Regenmantel über den Kopf und raste durch den
prasselnden
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