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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben
Autoren: James White
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Unterlagen unterschlagen habe und bei seiner Rückkehr zur Erde verhaftet werden sollte. Sein Tod mußte also auch nicht unbedingt auf einen Unfall zurückzuführen sein. Gab es eine Verbindung zwischen den beiden Todesfällen? Diese Frage hatten sich die beiden Barclays damals gestellt. Es sah eher so aus, als hätte Goyer etwas entdeckt, das nicht für seine Augen bestimmt war, und war deshalb zum Schweigen gebracht worden. In der Folgezeit hatten Mutter und Sohn fast all ihr Gespartes ausgegeben, um Licht ins Dunkel zu bringen.
    »Und da haben Sie angefangen, raumfahrttechnische Publikationen zu kaufen und zu sammeln«, sagte Conlon.
    »Ich kaufte auch ausländische Magazine, nachdem ich einige Sprachen gelernt hatte. Von meinem Problem abgesehen, wollte ich immer schon Raumfahrer werden – ein Kindheitstraum. Ich träume auch heute noch davon, obwohl die Schlechten Jahre das Ende unserer Projekte brachte. Was sollte man auch damals anderes tun? Die Fernsehprogramme waren nicht mehr anzusehen, und es gab die Ausgangssperre. Also blieb nur noch das Lesen.«
    Barclay dachte daran, wie er jahrelang alle nur erreichbaren Informationen gesammelt und katalogisiert hatte. Am Anfang war es leicht gewesen, an die Schriften – auch die ausländischen – zu kommen. Dann, als die Schlechten Jahre kamen und die Gesellschaft zusammenbrach, mußte er sich stehlen, was er brauchte, aber war es denn wirklich Diebstahl, sich etwas zu besorgen, an dem ohnehin niemand mehr interessiert war? Barclay erschauerte, als er daran dachte, wieviele Menschen damals umgebracht worden waren, weil andere ebenso wie sie Hunger litten, aber weniger skrupellos gewesen waren. Es gab zwar noch die Gesetze, aber niemand, der sie wahrte. Willkür und Chaos. Überall wuchsen bewaffnete Banden wie Pilze aus dem Boden. Wer seines Lebens sicher sein wollte, mußte sich den Schutz des örtlichen Bandenchefs erkaufen. Er trat all seinen Besitz ab und wurde dafür in Ruhe gelassen. Überfälle auf Lebensmittelzentralen und Heizöllager waren an der Tagesordnung. Wieviele Unschuldige dabei starben, interessierte nicht.
    »Das Lesen und das Studium der Publikationen war eine gute Therapie für uns«, erklärte Barclay. »Wir konnten für wertvolle Stunden vergessen, was draußen geschah. Sechs Jahre später starb meine Mutter. Inzwischen war die Sammlung so groß, daß ich kaum noch Platz zum Atmen hatte. Es war fast unmöglich geworden, an Neuerscheinungen zu kommen. Aber ich hatte genug gelesen, um endgültig zu wissen, daß es einen solch perfekten Informationsaustausch zwischen den Russen und uns gab, daß die Version des Polizeioffiziers vom Tod meines Vaters mehr als lächerlich war. Doch ich las weiter. Was ich als Manie eines Fanatikers begonnen haben mochte, wurde zur Gewohnheit. Es war bald mein Lebensinhalt. Ich verschlang die Informationen einerseits aus reiner wissenschaftlicher Wißbegier, zum anderen, weil ich immer noch glaubte, einen Hinweis auf das wirklich Geschehene zu finden. Ich bin kein Mensch, der sich mit ungelösten Fragen abgeben kann.«
    »Gut«, sagte Conlon. Barclay sah sein Gegenüber zweifelnd an. Offensichtlich war dies kein Kompliment gewesen, sondern die Aufforderung, mit dem Bericht fortzufahren. Barclay sagte also: »Ich wußte mittlerweile so gut wie alles über das Raumfahrtprogramm und kannte mich in der Technik aus. Jedenfalls wußte ich, welche Fragen ich zu stellen hatte, falls es mir gelingen sollte, noch einmal ins Raumfahrtzentrum zu gelangen.«
    Und dieses Zentrum hatte sich nicht nur der Angriffe von Terrorgruppen zu erwehren. Auch politisch stand es unter Beschuß. Niemand war mehr gewillt, die Kosten für die Fortführung laufender, wenn auch mangels Ressourcen stark eingeschränkter Projekte zu tragen. Barclays Informant, derjenige, der ihm von Dr. Goyers Tod und den vermuteten Hintergründen berichtet hatte, arbeitete noch im Zentrum, obwohl er, wie er sagte, sich eher wie ein Museumswärter vorkam. Er versicherte, daß Barclay stets willkommen sei. Wenn er Fragen hatte, sollte er anrufen. Um zum rund sechshundert Kilometer entfernten Zentrum zu kommen, brauchte er allerdings eine Militäreskorte.
    Und Barclay mußte dorthin, wollte er wirklich eine befriedigende Antwort bekommen. Also sah er zu, daß er so schnell wie möglich Kontakt zu einem der Armeecamps in der Nähe bekam.
    Inzwischen hatte er es verstanden, sich mit den Bandenführern in seiner und in den Nachbarstädten so zu arrangieren, daß er
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